Nordkorea provoziert die Welt

North Korean leader Kim Jong Un watches a long range rocket launched into the air in this still image taken from KRT footage and released by Yonhap
North Korean leader Kim Jong Un watches a long range rocket launched into the air in this still image taken from KRT footage and released by YonhapREUTERS
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Das Regime hat eine Langstreckenrakete ins All geschickt und verweist auf die Forschung. Die Staatengemeinschaft vermutet einen versteckten militärischen Test. Auch ein Atomtest könnte bevorstehen.

Peking/Pjöngjang. Der Eklat war angekündigt. Nordkoreas Führung hatte am Samstag mitgeteilt, den geplanten Start einer Langstreckenrakete um einen Tag, auf den Sonntag, vorzuziehen. Anders als etwa bei dem unterirdischen Atomtest Anfang Jänner war den Regierungen in den besorgten Nachbarländern Südkorea und Japan damit klar: Der Abschuss würde zum frühestmöglichen Termin erfolgen. Und so kam es dann auch. Sonntagfrüh gegen neun Uhr Ortszeit feuerte das nordkoreanische Militär von einer Rampe auf der Westküste die Rakete mit einem Satelliten in Richtung All.

Damit gelingt es dem Regime des völlig herabgewirtschafteten Arbeiterstaats bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr, die Welt in Atem zu halten. Und anders als bei der angeblichen Zündung einer Wasserstoffbombe im Jänner, die nie bestätigt wurde, war der Abschuss diesmal offensichtlich erfolgreich. Gegen Mittag Ortszeit verkündete der nordkoreanische Staatssender, die Rakete habe erfolgreich einen Satelliten in den Orbit gebracht. Wenige Minuten später gab Nordkoreas amtliche Nachrichtenagentur KCNA die genauen Daten der Umlaufbahn bekannt, in der der Satellit mit dem Namen Kwangmyong 4, also „Leuchtender Stern“, künftig in einem Radius von etwa 500 Kilometern die Erde umrunden wird. Damit konnten auch die südkoreanischen Militärdienste ohne Aufwand nachprüfen, ob der Start gelungen war. Wenig später kam die Bestätigung vom südkoreanischen Verteidigungsminister.

„Bedrohung des Weltfriedens“

Die Protestnoten aus Südkorea, Japan und den USA ließen nicht lang auf sich warten. Die Regierung in Seoul sprach von einer „schweren Provokation“, die nicht toleriert werden könne. Für Japans Ministerpräsidenten, Shinzō Abe, stelle der Raketenabschuss eine ernsthafte Bedrohung für den Frieden der Welt dar: „Wir können das absolut nicht erlauben.“ US-Außenminister John Kerry kündigte an, sich für „ernsthafte Konsequenzen“ einzusetzen, um Nordkorea zur Rechenschaft zu ziehen. Selbst Chinas Führung, offiziell der noch einzig verbliebene Verbündete des Regimes in Pjöngjang, schloss sich der Kritik an – wenn auch deutlich moderater. Peking bedauere den Raketenabschuss. Noch für Sonntag beantragten Japan und die USA eine Krisensitzung des UN-Sicherheitsrats.

Das entspricht dem üblichen Vorgehen. Doch die Weltgemeinschaft hat dem nordkoreanischen Handeln nur wenig entgegenzusetzen. Von lautstarker Kritik, Sondersitzungen des Sicherheitsrats und verschärften Sanktionen ließ sich Pjöngjang bisher nicht abhalten. Und die nächste Krise könnte schon bevorstehen. Laut südkoreanischem Geheimdienst gibt es Hinweise darauf, dass das Regime einen neuen Atomtest vorbereitet.
Mit dem Abschuss der Langstreckenrakete will Nordkorea offenbar testen, wie weit ihr ballistisches Potenzial reicht. Ersten Einschätzungen von chinesischen Militärexperten zufolge handelt es sich um ein ähnliches Modell, wie es das Regime im Dezember 2012 schon einmal ins All befördert hat. Der Raketentyp damals habe eine Reichweite von rund 8000 Kilometern gehabt, der jetzige könne zwischen 1000 und 2000 Kilometer weiter reichen. Damit ist Nordkorea imstande, die meisten Teile Europas, Australiens, Kanadas und die US-Westküste zu treffen.

Unberechenbare Nuklearmacht

Der UN-Sicherheitsrat hatte deswegen bereits im Jahr 2006 Resolutionen verabschiedet, die dem Regime verbieten, an einem solchen Programm zu arbeiten. Pjöngjang selbst behauptet, die Rakete vom Sonntag habe den Satelliten lediglich für Wissenschaftszwecke ins All befördert. Nordkorea übe sein „legitimes Recht auf die Weltraumforschung zu friedlichen Zwecken aus“. Künftig werde das Land noch mehr Satelliten ins All schießen.

Sollte es dem Regime gelingen, seine Langstreckenraketen auch atomar zu bestücken, wäre Nordkorea als Nuklearmacht fast auf einer Höhe mit China, Russland und den USA – und in der Lage, einen weltweiten Atomkrieg anzuzetteln. Deshalb drängen vor allem die USA China dazu, verstärkt Druck auf Pjöngjang auszuüben. Die chinesische Führung hat Nordkorea mehrfach aufgefordert, wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Doch politisch lässt sich Nordkorea von seinem einstigen Bruderstaat längst nichts mehr sagen. Zugleich pflegt China weiter wirtschaftliche Beziehungen mit dem sonst völlig abgeschotteten Land.

AUF EINEN BLICK

Die Rakete wurde am Sonntag um neun Uhr früh Ortszeit abgeschossen. Die USA und Südkorea gehen davon aus, dass Nordkorea in Wahrheit die Entwicklung ballistischer Interkontinentalraketen

vorantreiben will. [ AFP ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2016)

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