Der pensionierte Brigadegeneral Adnan Tanrıverdi, ein strammer Islamist, soll das Militär nach den Vorstellungen von Präsident Erdoğan umkrempeln.
Wien/Ankara. Der anonyme Whistleblower Fuat Avni hat das Gerücht bereits im Juni über Twitter verbreitet: Ein pensionierter Brigadegeneral namens Adnan Tanrıverdi soll das Militär nach den Vorstellungen des Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan umgestalten, beginnend mit der Bildung einer geheimen paramilitärischen Einheit. Abgesehen von den Spekulationen hat die türkische Regierung nun die Bestellung Tanrıverdis als Chefberater des Präsidenten bestätigt.
Tanrıverdi, Jahrgang 1944, ist nicht unumstritten. Bereits vor 20 Jahren hat ihn das streng säkular ausgerichtete Militär zwangspensioniert, angeblich wegen „schädlicher Aktivitäten“; er soll versucht haben, den Islam in den Kasernen salonfähig zu machen. Tatsächlich ist der Brigadegeneral mit den Armeen der islamischen Länder hervorragend vernetzt. Er gründete die Sicherheitsfirma Sadat, eine Art islamisches Blackwater (mittlerweile heißt die US-Söldnerfirma Academi). Sadat soll Kämpfer unterrichtet haben, die gegen die kurdische PKK eingesetzt wurden, aber auch nach Syrien oder Libyen in den Krieg zogen. Die Firma handelt nicht transparent, was zu mehreren parlamentarischen Anfragen der sozialdemokratischen CHP geführt hat. Bisher blieben sie jedoch unbeantwortet.
Auf die Söldner von Tanrıverdi könne die Regierung künftig im Ernstfall zurückgreifen, schreiben regimekritische Medien mit Blick auf den gescheiterten Putsch Mitte Juli. Die Massenentlassungen und -verhaftungen seit dem Coup haben den türkischen Sicherheitsapparat deutlich geschwächt.
40.000 Personen verhaftet
Die türkischen Behörden setzten ihren Feldzug gegen mutmaßliche Unterstützer des islamischen Predigers Fethullah Gülen fort. Ihn macht die Regierung für den Putschversuch am 15. Juli verantwortlich. Ins Visier der Säuberungen geraten nach Armee, Polizei, Justiz und Medien nun auch Unternehmen: Bei Großrazzien sollten am Donnerstag 187 Haftbefehle vollstreckt werden. Laut Premier Binali Yıldırım wurden bisher insgesamt 40.000 Personen verhaftet. Die Hälfte davon sei angeklagt worden. Von Griechenland hat Ankara indessen offiziell die Auslieferung von acht Militärs gefordert, dich sich nach dem Putschversuch abgesetzt hatten. (duö/ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2016)