Schrieb Junckers Kabinettchef Kommissars-Antworten um?

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Hearings. Martin Selmayr soll für die Verwirrung um die Position der neuen Handelskommissarin Cecilia Malmström verantwortlich sein.

Brüssel. Die wachsende Spannung im Kreis der neuen EU-Kommissare tritt offen zutage. Und nicht nur wegen der aktuellen Hearings im Europaparlament. Das Kabinett des designierten EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker dürfte nämlich die vorbereiteten schriftlichen Antworten von Kommissionskandidaten auf Fragen aus dem Europaparlament nicht nur kontrolliert, sondern in Einzelfällen auch manipuliert haben. Das wurde jetzt bei der schwedischen Kandidatin Cecilila Malmström offensichtlich. Ihr soll Kabinettchef Martin Selmayr den Text in einer wesentlichen Passage abgeändert haben.

Einen Hinweis darauf legte die liberale EU-Abgeordnete Marietje Schaake im Rahmen des Parlamentshearings mit Malmström vor. Sie verwies auf ein Word-Dokument, in dem ersichtlich wurde, wer die Änderungen im Text der voraussichtlichen nächsten Handelskommissarin vorgenommen hatte: Martin Selmayr. Der eingefügte Text war durchaus relevant und sorgte denn auch für zahlreiche Medienreaktionen, darunter auch in der „Presse“. Denn im korrigierten Text wurde nicht weniger als die Streichung des umstrittenen Investorenschutzes im Freihandelsabkommen mit den USA angekündigt. Es hieß: „Keine Begrenzung der Zuständigkeit von Gerichten in den EU-Mitgliedstaaten wird in diesem Zusammenhang akzeptiert werden; das bedeutet eindeutig, dass keine Investor-Staat-Streitbeteiligung Teil dieser Vereinbarung wird.“

Tatsächlich hat Malmström in ihrer ursprünglichen Antwort lediglich auf die Problematik des eigens eingerichteten Schiedsgerichtsverfahrens „Investor-to-State Dispute Settlement“ (ISDS) hingewiesen. Sie bestand am vergangenen Wochenende darauf, dass der Text wieder geändert werden müsse und entschuldigte sich für die Verwirrung in ihrem Hearing am Montag. Ihre Klarstellung sorgte dennoch für verärgerte Reaktionen zahlreicher Abgeordneter, die sich bereits über einen Durchbruch in einer der heikelsten Punkte des Freihandelsabkommens gefreut hatten.

Malmström, die auch der scheidenden Kommission unter José Manuel Barroso angehört, ist in dieser Frage in einer persönlichen und politischen Zwickmühle. Zum einen hat sie in ihrer bisherigen Funktion die Haltung von Handelskommissars Karel De Gucht mitgetragen. Der Belgier, der noch dazu derselben Parteifamilie (Liberale) angehört, wollte ISDS nicht gänzlich ablehnen und verwies darauf, dass solche Investorenschutzklauseln in Freihandelsverträgen bisher üblich seien. Auf der anderen Seite muss sich Malmström nun auch Jean-Claude Juncker verpflichtet fühlen, der sie für das wichtige Handelsressort auserwählt hat.

„Text stammt nicht von mir“

Juncker hatte sich bereits im Juli gegen die außergerichtliche Streitbeilegung ausgesprochen. Auf diese Position wollte Selmayr, wie es nun heißt, auch im Antwortschreiben an das Europaparlament erinnern. Er kündigte bei Malmström dem Vernehmen nach sogar diese Änderung an. Doch im verschickten Antwortschreiben war plötzlich von einer gänzlichen Eliminierung der Schiedsgerichtsverfahren die Rede, als würde Malmström das selbst fordern. Die Schwedin ließ noch am Wochenende per Twitter wissen, dass dieser Satz nicht von ihr stamme, zog den offenbar im ersten Ärger geschriebenen Tweet aber bald wieder zurück.

Der Kollateralschaden ist groß. Zum einen wird Malmström nun dafür kritisiert, dass sie nicht den Mut zu einer gänzlichen Ablehnung von ISDS aufgebracht hat. Zum anderen steht die gesamte neue Kommission in keinem guten Licht. Der Vorfall lässt ahnen, wie Junckers Kabinett versucht, das öffentliche Bild des Kollegiums nach eigenem Gutdünken zu manipulieren. (wb)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2014)

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