TTIP: „Österreich spielt seltsam originelle Rolle“

(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung, hofft auf positiven Abschluss der Verhandlungen.

Die Presse: In Österreich gibt es laute Kritik an der Verhandlungsführung der EU punkto TTIP. Fühlen Sie sich überfahren?

Christoph Neumayer: Im Gegenteil. Das Thema TTIP wurde in Österreich „gemacht“, bevor die Verhandlungen mit den USA überhaupt konkreter wurden. In Europa spielen wir damit eine seltsam originelle Rolle. Es stimmt allerdings auch, dass man im Verhandlungsprozess von der Seite der EU-Kommission einiges hätte besser machen können.

Haben Sie den Eindruck, dass die Kommission die Interessen der Wirtschaft wahrnimmt? Nichtregierungsorganisationen klagen ja darüber, dass man sie in Brüssel ignoriere.

Ich kann diese Meinung der NGOs schwer nachvollziehen. Etwa in der Frage der Investorenschiedsgerichte ist in letzter Zeit doch einiges passiert. Die neue, seit Ende 2014 amtierende Kommission vermittelt mehr den Eindruck, dass sie bereit sei, auf Befürchtungen einzugehen.

Ein Schwenk ins Inland: Wie beurteilen Sie die Bundesregierung? Man hat den Eindruck, bei TTIP sprechen die Häuptlinge mit gespaltener Zunge.

Diskrepanzen zwischen Aussagen in Brüssel und in Wien gibt es ja schon seit dem EU-Beitritt Österreichs. Die Rolle der Bundesregierung ist keine ganz glückliche, weil wir uns in dieser Frage in der EU zunehmend isolieren. Ob das für eine Exportnation hilfreich ist, sei dahingestellt.

Wenn es für TTIP nur eine Mehrheit gibt, wenn der Investorenschutz ausgeklammert wird – wären Sie trotzdem dafür zu unterschreiben?

Internationale Schiedsgerichtsbarkeit ist meiner Ansicht nach notwendig. Wie man sie gestaltet, ist eine andere Frage. Auch wir wünschen uns Transparenz sowie die Möglichkeit, dort gefällte Urteile auch hinterfragen zu können. Außerdem bin ich überzeugt, dass TTIP nur dann fliegen kann, wenn es eine demokratische Legitimierung gibt – also nationale Parlamente über das Abkommen befinden.

Wie konnte den NGOs eine derart erfolgreiche Kampagne gegen TTIP gelingen?

Erstens, weil die Verhandlungen nicht transparent geführt wurden, was ein legitimer Kritikpunkt ist. Zweitens war die Kommunikation der Verhandlungsführer nicht optimal, als die NGOs ihre Bemühungen intensivierten. Und drittens, weil sich das Thema sehr leicht emotional aufladen lässt und sich gut zur emotionalen „Kundenbindung“ eignet – bei NGOs wie bei Medien. (la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

International

Freihandelspakt EU/USA: TTIP als Einladung an Lobbyisten

Die geplante regulatorische Zusammenarbeit wird die europäischen Standards nicht aushebeln, wie es NGOs befürchten – wohl aber den Lobbyismus fördern.
Kommentare

Bei TTIP sticht nur das Vorurteil

Vorurteil schlägt Information. Das sind die aktuellen Spielregeln in einer besonders abgründigen Runde politischen Bauernschnapsens: der heimischen TTIP-Debatte.
International

Investorenschutz: SPD fordert bilaterales Gericht

Deutschlands Wirtschaftsminister Gabriel schlägt anstelle der privaten Schiedsgerichte einen internationalen Handelsgerichtshof vor.
Christoph Leitl
Österreich

Leitl: "Europäer brauchen TTIP viel stärker als die USA"

Für Österreich sind die USA laut Wirtschaftskammer der drittwichtigste Handelspartner. Die Beziehungen haben ein enormes Potenzial, so Leitl.
Europa

TTIP: „USA und Europa lassen sich keine Standards vorschreiben“

Alexa Wesner, US-Botschafterin in Österreich, sieht TTIP als integralen Bestandteil der transatlantischen Sicherheitsarchitektur. Der Bundesregierung und der EU-Kommission rät die Diplomatin zu mehr Informationsarbeit.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.