Molterer: "Faymann hatte die Säge in der Hand"

Wilhelm Molterer
Wilhelm Molterer(c) APA (Georg Hochmuth)
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Wilhelm Molterer über Gusenbauers Ende, Geldgeschenke und die „Krone“.

Die Presse: Haben Sie bei Ihrer Rede zur Aufkündigung der Koalition, schon gewusst, dass „Es reicht!“ der Wahlkampfslogan der ÖVP wird?

Wilhelm Molterer: Nein. Es war einfach die Wiedergabe der Stimmung. Ich habe dieses „Es reicht!“ zuvor so oft gehört und dann eben selbst verwendet. „Es reicht!“ wird aber sicher nicht bis zum Ende des Wahlkampfs der ÖVP-Slogan sein.


Hat die ÖVP im Wahlkampf außer Geldgeschenken und strenger Zuwanderungspolitik eigentlich auch noch anderes zu bieten?

Molterer: Die ÖVP gibt dort Antworten, wo die Menschen Fragen haben. Die Pflege ist die große sozialpolitische Frage. Das zweite wichtige Thema ist der Kampf um jeden Arbeitsplatz und die Sicherung des Wirtschaftsstandortes. Dann muss es Antworten auf die Teuerung geben. Und ja, das kostet auch Geld. Wir müssen Menschen mit geringen Einkommen und Familien weiter entlasten. In der Sicherheitspolitik, das stimmt, da sind wir kompromisslos.


Statt einer 13. Familienbeihilfe könnte man den Bürgern doch einfach das Geld im Zuge einer vorgezogenen Steuerreform zurückgeben.

Molterer: Mein Ansatz ist schon sehr zielgerichtet, ich kann das auch budgetär verantworten. Mein Prinzip ist: Wem hilft's? Wer braucht Unterstützung? Gerade für viele Familien ist der Schulbeginn eine finanziell schwierige Zeit.

Im Frühjahr haben Sie sich noch gegen eine Erhöhung der Familienbeihilfe gesperrt.

Molterer: Wir haben uns damals auf die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge konzentriert. Die Familienbeihilfe ist nun der nächste Schritt. Und wieso soll die Politik nicht auch sagen: Ja, wir lernen dazu!


Sie könnten jetzt die Gelegenheit nützen und sagen: Die ÖVP will mit den Grünen und wenn nötig auch mit Dinkhauser oder den Liberalen regieren.

Molterer: Mit dieser Frage werde ich oft konfrontiert. Aber entscheiden tut zuerst einmal der Wähler. Es gibt bei uns keine Tradition wie in Deutschland, wo vorab Koalitionsaussagen getroffen werden. Ich drehe das jetzt einmal um und sage: Ja, es ist denkbar, dass die SPÖ mit der FPÖ in eine Koalition geht. Da ist es gut, dass es mit der ÖVP eine Alternative gibt. Ich sage aber auch: Ich schließe keine Koalition grundsätzlich aus. Außer mit jenen, die in der Europafrage einen Austritt als Perspektive sehen und in der Ausländerpolitik den Boden der Rechtsstaatlichkeit verlassen.

Wie die Strache-FPÖ.

Molterer: Ich bin mir nicht sicher, ob alle in der FPÖ so denken wie Strache. Und ehrlich gesagt, bei FPÖ und BZÖ kennt sich ohnehin keiner mehr aus. Wer kann heute sagen, was BZÖ und was FPÖ ist, wo einer einmal dort und dann wieder da kandidiert. Es wird also jeder aus diesem Lager gut beraten sein, das Angebot der ÖVP anzunehmen, ein Stück des Weges mit uns zu gehen. Das ist auch ein Angebot an frustrierte SPÖ-Wähler. Hinter dem Lacina-Brief steht ja die tiefe Sehnsucht, in der Europafrage jemanden zu haben, auf den man sich verlassen kann.


Ist eine Koalition mit Jörg Haider und seinem BZÖ vorstellbar? Das war ja schließlich schon einmal da.

Molterer: Wer im Parlament vertreten ist, ist demokratisch legitimiert. Der Rest ist eine Frage der Inhalte. Bei Haider ist ja auch nicht wirklich klar: Ist er jetzt Landeshauptmann und den Kärntnern verpflichtet? Oder nicht?


Sie haben gestern die ÖVP-Landesparteichefs getroffen. War das notwendig, um die Irritationen der vergangenen Wochen auszuräumen?

Molterer: Sinn dieses Treffens war es, uns bei gemeinsamen Vorhaben abzustimmen. Auch für den Wahlkampf. Aber ich brauche die Unterstützung der Länder vor allem bei wichtigen Fragen wie der Pflege oder dem kostenlosen letzten Kindergartenjahr.

Was soll in Österreich anders werden, wenn Sie Bundeskanzler sind?

Molterer: Wir müssen mutiger und klarer sein. Österreich braucht Offenheit, Europa, die Erweiterung. Die Schwarzmeerregion bietet eine hochspannende Perspektive. Das zweite zentrale Thema ist Veränderung. Das halte ich in Österreich für zu wenig ausgeprägt. Veränderung ist die Chance, besser zu werden – sozialpolitisch, Stichwort Pflege, oder bei der Staatsreform.


Wie ist nun Ihr Verhältnis zu Kanzler Alfred Gusenbauer, nachdem Sie maßgeblich zu seinem politischen Ende beigetragen haben?

Molterer: Gusenbauer war bereits lange von der SPÖ abgeschrieben. Ich habe noch nie erlebt, dass eine Partei auf offener Bühne ihren Kanzler zum Abtreten zwingt. Werner Faymann hatte die Säge schon lange in der Hand. Mein Verhältnis zu Gusenbauer war immer von Respekt geprägt. Es gibt einen einzigen Punkt, wo ich ihm einen Vorwurf machen muss: In der Europafrage, da hat er genau gewusst, was geschehen wird. Es kann nicht sein, dass ein Kanzler Grundsätze in einer Zeitung festlegt. Das schadet dem Land.


Sie kommen derzeit in der „Kronen Zeitung“ sehr schlecht weg. Nehmen Sie den Fehdehandschuh auf?

Molterer: Wir führen keinen Wahlkampf gegen eine Zeitung, sondern gegen die politischen Mitbewerber. Ich respektiere die Position einer Zeitung, aber ich werde meine nicht davon abhängig machen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2008)

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