Pensionen: Regierung wiegt Österreicher in falscher Sicherheit

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Demografie: Laut Prognose der Statistik Austria steigt die Zahl der Senioren bis 2060 um 79 Prozent deutlich. Die Gruppe der Erwerbsfähigen schrumpft.

Sichere Pensionen (* Zitat von Sozialminister Rudolf Hundstorfer, 30. April 2011 in der APA), jährliche Erhöhungen, keine Finanzierungsschwierigkeiten: Diese Versprechen von Politikern haben die Mathematiker der Statistik Austria mit ihrer neuesten Bevölkerungsprognose als völlig unrealistisch abqualifiziert. Ändern sich Pensionssystem und Arbeitsmarkt nicht grundlegend, steuert die Gesellschaft auf mehr als nur ein soziales Ungleichgewicht zu, so die Statistik Austria.

Die Botschaft ist nicht neu, die Detaildaten schon. Laut der am Donnerstag veröffentlichten Berechnungen steigt die Zahl der Österreicher über 65 Jahre bis ins Jahr 2060 auf 2,8 Millionen (2013: 1,5 Mio.). Das entspricht einem Zuwachs von 79 Prozent. Gleichzeitig stehen den Senioren weniger Menschen im Erwerbsalter (20–65 Jahre) gegenüber. Diese Gruppe (2013: 5,2 Mio.) wird zwar zunächst geringfügig größer (2020: 5,4 Mio.), langfristig schrumpft sie jedoch (2050: 5,1 Mio.). Vereinfacht gesagt ergibt das eine unangenehme Wahrheit: Immer weniger Arbeitende werden immer mehr Senioren finanzieren müssen. Derzeit beträgt das Verhältnis zwischen den beiden Gruppen 3,4:1. Bis 2060 wird auf 1,8 Beschäftigte bereits ein Pensionist kommen.

Das hat auch mit der Annahme zu tun, dass die durchschnittliche Lebenserwartung bis 2060 deutlich steigen wird. Und zwar von 83,6 auf 90,6 Jahre bei Frauen und von 78,5 auf 87,3 Jahre bei Männern.

In den Detaildaten zeigt sich aber auch, dass die Bevölkerungspyramide ohne Zuwanderung aus dem Ausland regelrecht kippen würde. Zur Verdeutlichung: 18,2 Prozent der momentan 8,5 Mio. Einwohner sind älter als 65 Jahre. Ohne Migration würde erstens die Bevölkerung bis 2060 auf 7,1 Mio. Menschen schrumpfen und zweitens der Anteil der Senioren dann satte 37 Prozent betragen.

Das Realszenario geht allerdings auch für die kommenden Jahre von einem verstärkten Zuzug aus dem Ausland aus. Der Anstieg des Seniorenanteils wird dadurch bis 2060 auf 28,7 Prozent gedämpft. Insgesamt erwarten die Mathematiker bis dahin eine Gesamtbevölkerung im Ausmaß von 9,6 Millionen. Das sind 13,4 Prozent mehr als heute. In einzelnen Regionen wird das Wachstum auch deutlich stärker ausfallen (siehe Grafik). Kärnten ist bis dahin das einzige Bundesland, dessen Bevölkerung schrumpft.

Großteil der Zuwanderer nach Wien

Derzeit, und auch noch bis Mitte der 2020er-Jahre, ist der Saldo von Geburten und Todesfällen im Land leicht positiv. Dieser wird ab 2030 jedoch deutlich ins Negative kippen. Das insgesamt starke Bevölkerungswachstum ist daher nur auf Zuwanderung aus dem Ausland zurückzuführen. In diesem Detail liegt auch die größte Unsicherheit der Prognose, weil internationale Migration stark von schwer bis gar nicht vorherzusagenden ökonomischen und politischen Faktoren abhängt. Unter dem Strich gehen die Modelle von einem jährlichen Nettozuzug von 20.000 bis 30.000 Personen aus. Fast die Hälfte davon (40 Prozent) landet in Wien. Der Rest verteilt sich auf die Bundesländer (s. Grafik).

Während die Änderungen in der Altersstruktur der Bevölkerung vor allem Arbeitsmarkt, Pflege, Pensions- und Gesundheitssystem vor neue Herausforderungen stellen, fordert der Zuzug aus dem Ausland neue Maßnahmen bei der Integration. Die Daten dazu sind deutlich. Heute leben in Österreich 1,37 Mio. Menschen, deren Geburtsort im Ausland liegt. 2060 werden es laut Prognose 2,47 Mio. sein. Das entspricht einem Zuwachs von 80 Prozent. Traditionell hoch ist der Anteil der ausländischen Zuwanderer in Wien (2013: 31 Prozent). Gegen Ende des Prognosezeitraums werden es 42 Prozent von insgesamt 2,2 Mio. Hauptstädtern sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2014)

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