Armensteuern statt Reichensteuern

Keine neuen Steuern! Dieser Schlachtruf der ÖVP dürfte einen wesentlichen Beitrag zum doch nicht ganz so schlechten Ergebnis der Volkspartei bei der vergangenen Nationalratswahl geleistet haben.

Bei den von der SPÖ so apostrophierten Reichensteuern– also Vermögen-, Erbschafts- und Schenkungssteuer – hat die ÖVP bisher noch halbwegs Kurs gehalten. Auch wenn mancher Landesfürst den Versuchungen des linken Populismus erlegen ist, und auch wenn der neue Parteichef, Reinhold Mitterlehner, sich so manche Hintertür offen lässt.

Ob aber die ÖVP zur jetzt diskutierten Erhöhung der Mehrwertsteuer auch ein klares Nein sagt, bleibt abzuwarten. Wobei die Begründung, es handle sich nicht um eine Steuererhöhung, sondern um die Streichung von Ausnahmen, nicht viel mehr als die semantische Behübschung einer üblen Abzocke ist. Denn selbstverständlich bleibt eines übrig: Der Endverbraucher muss mehr zahlen.

Die Ausnahmen bei der Umsatzsteuer wurden geschaffen, um sozial Schwache bei lebensnotwendigen Konsumausgaben nicht zu stark zu belasten. Medikamente, Mieten und manche Nahrungsmittel sind begünstigt – das lässt sich argumentieren. Und wer hier eingreift, wird sich rasch dem Vorwurf aussetzen, er führe Armensteuern statt Reichensteuern ein. Und das wird sich die ÖVP sicher nicht leisten können – von der SPÖ ganz zu schweigen. Das wäre ein PR-Desaster, angesichts dessen die Koalition sich ihr Prestigeprojekt Steuerreform gleich ganz schenken könnte.

Es gibt noch andere Ausnahmen bei der Umsatzsteuer, die nicht in die Kategorie Schutz für sozial Schwache fallen – etwa für Hotels oder für Staatsopernkarten. Aber auch da geht es um Steuererhöhungen, die eigentlich niemand wollte. Wünschenswert wäre, dass Einsparungen in der Verwaltung oder bei den Förderungen mit demselben Engagement wie die Suche nach Mehreinnahmen angegangen würden. Doch davon hört man bisher nur wenig.

E-Mails an: martin.fritzl@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2014)

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