Verwaltungsreform: Protest der Anwälte und Notare

Der geplante Bürokratieabbau der Regierung sorgt in einzelnen Kammern für Unmut. SPÖ und ÖVP beschwichtigen.

Wien. Sie wird seit Ewigkeiten gefordert, und doch kommt es nie dazu. Jetzt zwingt der Sparkurs die Regierung, sie zumindest in Ansätzen anzugehen. Die Rede ist von der Verwaltungsreform: Unter dem Motto „Reformdialog“ wurden bereits Ende Juni im Bundeskanzleramt 24 Maßnahmen in diesem Bereich besprochen. Insgesamt sollen auf diesem Weg mehr als 80 Millionen Euro eingespart werden – erste Maßnahmen sollen bereits Ende des Jahres umgesetzt werden.

Genau das sorgt an einigen Stellen für Unmut: Die Vertretungen von Notaren, Wirtschaftstreuhändern und Rechtsanwälten haben nicht nur massive Bedenken gegen einzelne Pläne der Koalition. Sie befürchten auch, dass einzelne Novellen den Nationalrat kurzfristig vor der Sommerpause passieren. Also heute, Mittwoch, oder morgen. Die beiden SPÖ- und ÖVP-geführten Staatssekretariate beschwichtigen allerdings: In dieser Woche seien die kritisierten Punkte noch kein Thema. Nachsatz: Zum sogenannten Reformdialog stehe man allerdings. In Form von Arbeitsgruppen soll auch noch an den Details gefeilt werden.

Was stört die Kammern aber genau? Im Detail geht es um zwei Maßnahmen. Punkt eins: Die Koalition will die „Schranken für Interdisziplinäre Gesellschaften zwischen Freiberuflern und Gewerbetreibenden beseitigen“. Rupert Wolff, Präsident der Rechtsanwaltskammer, hat „große Bedenken“. Konzerne könnten in Zukunft intern Rechtsanwälte anstellen. „Sind sie aber mit anderen Berufsgruppen in einer gemeinsamen Gesellschaft tätig, wird die Unabhängigkeit ausgehebelt“, sagt Wolff. Denn dann hätten unter Umständen auch andere Mitarbeiter der Gesellschaft Einsichts- und Auskunftsrechte, die ansonsten nur für Rechtsanwälte gelten würden.

Klaus Hübner, Präsident der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, sieht ebenfalls eine „Gefährdung der Verschwiegenheit“. Er kritisiert außerdem, dass „die Wirtschaftskammer mit den Verhandlern an einem Tisch sitzt, von uns aber niemand.“ Nachsatz: „Wenn man leicht eitel ist, könnte man beleidigt sein.“

„Mit allen Mitteln zur Wehr setzen“

Ludwig Bittner, Präsident der Notariatskammer, stößt sich vor allem an Punkt zwei – an der Vereinfachung von „Formvorschriften für Neugründungen“. Unter bestimmten Umständen soll die Handysignatur als gleichwertiger Ersatz für bisherige notarielle Beglaubigungen gelten. So würde eine solide Beratung von Unternehmern entfallen, fürchtet Bittner. Seine Kammer werde sich „dagegen mit allen Mitteln zur Wehr setzen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2015)

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