Unsichtbar und mächtig: Die Hintermänner der Wien-Wahl

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Archivbild: Das Wiener RathausDie Presse
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Die Strategen. Sie sind öffentlich weitgehend unbekannt, sitzen aber im engsten Kreis an den Schalthebeln der Macht: Wer im Wahlkampf bei SPÖ, FPÖ, ÖVP, Grünen und den Neos die Taktik bestimmt und die Fäden im Hintergrund zieht.

Man sieht sie nicht, und das ist ihnen nur recht so. Denn nur unsichtbar machen sie ihren Job – die Sichtbarkeit des Spitzenkandidaten – gut. Sein oder ihr Lächeln muss ihre Arbeit überstrahlen. Würde man zu sehr merken, dass oft sie dem Parteichef, der Parteichefin provokante Sager in den Mund legen, Themen, Initiativen und Performance der Partei steuern, würde das nur schaden.

Strategen müssen bescheiden sein. Zumindest nach außen. Intern sitzen sie im Zentrum der Macht – als persönliche Berater im engsten Kreis der Parteispitze, als Einflüsterer und Organisatoren. Im Wien-Wahlkampf treten dabei interessanter Weise völlig unterschiedliche Charaktere gegeneinander an: In der Löwelstraße steuert Georg Niedermühlbichler den roten Wahlkampf. Seit August 2014 ist er Häupls Parteimanager, gilt als umgänglich, effektiv und Brücke zwischen der rot-grünen und rot-schwarzen Fraktion. Er hat es zumindest geschafft, wieder Ruhe in die rote Parteizentrale zu bringen, in der es zuvor massive Turbulenzen gab. Weshalb der Job als Himmelfahrtskommando galt. Immerhin kann die SPÖ bei der Wien-Wahl nur verlieren, was dem Wahlkampfmanager umgehängt wird. Niedermühlbichler übernahm nur aus einem Grund, ist zu hören: Schneide die SPÖ gut ab, könnte der als ruhig und überlegt geltende Niedermühlbichler als Belohnung seinen Traumjob bekommen – einen Stadtratsposten. Vorzugsweise jenen des Wohnbaustadtrats, sollte Michael Ludwig wirklich Michael Häupl nachfolgen. Schneidet die SPÖ schlecht ab, soll er wieder an die Spitze der Mietervereinigung zurückkehren.

Häupl und sein Alter Ego

Natürlich gibt Häupl die SPÖ-Wahlkampflinie vor. Diese wird aber in Rücksprache mit seinem engsten Kreis definiert. Zu allererst im Vier-Augen-Gespräch mit Landtagspräsident Harry Kopietz – erst dann wird es im sogenannten Freundeskreis (einige Stadträte, Niedermühlbichler und Parteigranden) diskutiert. Niemand ist so nahe an dem SPÖ-Chef dran, auf niemanden hört der Bürgermeister mehr als auf Kopietz, der für Häupl jahrelang die Wiener SPÖ so gut organisiert hatte, sodass Politologen sie (gemeinsam mit Erwin Prölls niederösterreichischer ÖVP) „als am besten funktionierender Parteiapparat Österreichs“ bezeichnet hatten.

Kopietz, der das Donauinselfest erfunden hat, war Initiator der Brot-und-Spiele-Politik der Stadt – nach dem Motto: Wenn sich die Wiener gut unterhalten, es viele Feste und Events gibt, sind sie zufrieden und wählen SPÖ. Er ist gleichzeitig ein konsequenter Förderer von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig, der unter ihm von Floridsdorf ausgehend Karriere bis zum Wohnbaustadtrat gemacht hat. Freundlich im Ton, extrem hart im Verhandeln, gilt parteiintern als Markenzeichen des Machtmenschen Kopietz. Nebenbei mischt im SPÖ-Wahlkampf auch Ex-Bundesgeschäftsführer Jo Kalina mit, zu dem Häupl ein sehr gutes Verhältnis hat. Bei dem grünen Koalitionspartner ist die Macht basisdemokratisch verteilt. Es entscheidet ein Strategieteam, dem Vassilakou, Klubchef David Ellensohn, Landesgeschäftsführer Georg Prack und Wahlkampfleiterin Angela Stoytchev angehören.

Ellensohn gilt als Vassilakous rechte Hand mit ausgeprägten Ambitionen auf höhere Weihen – ist er doch auffällig oft auf der grünen Bundesebene aktiv. Falls die Grünen am 11. Oktober Verluste einfahren und Vassilakou zurücktreten muss, gilt es als fix, dass Ellensohn die Partei übernimmt. Wahlkampfleiterin Stoytchev dagegen meidet die Öffentlichkeit gern, Ansprechpartner des grünen Strategieteams nach außen ist daher Landesgeschäftsführer Georg Prack, der sich selbst als „sicher links“ deklariert und „bereits nach der Wien-Wahl 2010“ begonnen hat, „an der aktuellen Wahlkampflinie zu arbeiten“. Gilt Ellensohn heute als Pragmatiker, ist Prack der Vertreter des ideologischen Flügels der Grünen.

Keine Änderungen gibt es bei der FPÖ. Wie gewohnt bestimmt der blaue Stratege Herbert Kickl die Linie und inszeniert (wie bei jedem FPÖ-Wahlkampf) seinen Parteichef Heinz-Christian Strache. Kickl gilt als Straches rechte Hand und Hirn der Partei. Von ihm stammen Slogans wie „Pummerin statt Muezzin“. Angefangen hatte der Marathonläufer unter Jörg Haider, dessen Reden er schrieb. Heute schreibt der als ruhiger Intellektueller geltende Kickl Straches Reden und trifft alle wahlkampfrelevanten Entscheidungen, die vom Wiener Parteimanager Toni Mahdalik umgesetzt werden. Detail am Rande: Im Gymnasium in Spittal/Drau ging Kickl in dieselbe Klasse wie die heutige grüne Bundessprecherin, Eva Glawischnig. Mit ihr hatte er sich als Klassensprecher abgewechselt.

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Eine schwarze Troika

In der ÖVP entscheidet ein Dreierteam die Strategie. Neben Parteichef Manfred Juraczka ist es Parteimanager Alfred Hoch und Alexander Biach , Direktor des ÖVP-Wirtschaftsbundes. Dieser hat bereits zwei Wahlkämpfe für die ÖVP-Fraktion in der Wirtschaftskammer durchaus erfolgreich geleitet und ist nun erstmals im Strategieteam. Was ihm zusätzlich Einfluss verschafft: Juraczka und Biach kennen sich seit Langem, kommen doch beide aus dem 17. Bezirk.

Im Hintergrund zieht bei den Neos für Beate Meinl-Reisinger Wahlkampfmanager Peter Puller die Fäden, als externer Berater fungiert Tal Silberstein, der schon für Häupl 2001 und für Alfred Gusenbauer in den Jahren 2002 und 2006 gearbeitet hat. Puller kommt wie seine Chefin aus der ÖVP, allerdings der steirischen, und war Sprecher von Justizministerin Beatrix Karl bzw. Chef des ÖVP-Pressedienstes. Er gilt als kompetent, geriet im steirischen Landtagswahlkampf 2005 aber in die Schlagzeilen – durch eine Medienschulung, bei der ÖVP-Mitarbeiter unterrichtet wurden, wie man die öffentliche Meinung mit z. B. fingierten Leserbriefen und durch das Streuen von Gerüchten manipuliert. Dem Vernehmen nach soll das nicht Pullers Idee gewesen sein, nachdem er das Projekt aber ausführte, blieb es an ihm hängen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 3. Oktober 2015)

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