U-Häftling darf Mutter nicht anrufen

STEIERMARK: 54-JAeHRIGER ZERSTUeCKELT UND ENTSORGT: JUSTIZANSTALT GRAZ-JAKOMINI
STEIERMARK: 54-JAeHRIGER ZERSTUeCKELT UND ENTSORGT: JUSTIZANSTALT GRAZ-JAKOMINIAPA/ERWIN SCHERIAU
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Der Staatsanwaltschaft verwehrte dem Insassen wegen Verdunkelungsgefahr jegliches Telefonat. Zu Recht, sagt das Gericht, das eine „planwidrige Gesetzeslücke“ ortet.

Wien/Graz. Er sitze seit 14 Tagen in Untersuchungshaft, habe aber noch nie seine Mutter anrufen dürfen. Mit dieser Beschwerde wandte sich ein in der Justizanstalt Graz-Jakomini inhaftierter Kroate ans Gericht. Die Staatsanwaltschaft hatte dem Wunsch des Mannes, dem schwerer gewerbsmäßiger Einbruchsdiebstahl vorgeworfen wird, nicht entsprochen.

Schließlich habe man ja U-Haft verhängt, damit der Mann keine Absprachen mit seinen noch unbekannten Mittätern treffen könne. Dies sei aber nur sicherzustellen, indem man dem Mann jegliche Telefonkontakte untersagt. Denn man könne nicht überprüfen, wer wirklich am anderen Ende der Leitung ist – und eine inhaltliche Überwachung des Gesprächs sei in der Justizanstalt Graz-Jakomini auch nicht möglich.

Das Grazer Landesgericht für Strafsachen gab der Beschwerde des U-Häftlings statt: Er sei in seinem subjektiven Recht, mit der Außenwelt telefonisch zu verkehren, verletzt worden. Dieses Recht sei in der Strafprozessordnung schließlich (in § 188 Abs. 2) verbrieft.

Was wollte der Gesetzgeber?

Nun legte die Staatsanwaltschaft Beschwerde ein. Und tatsächlich kam das angerufene Oberlandesgericht (OLG) Graz zu einem anderen rechtlichen Schluss. Es befand, dass eine „planwidrige Gesetzeslücke“ vorliege. Es könne dem Gesetzgeber „nicht unterstellt werden“, dass er zwar dem Staatsanwalt erlauben wollte, Besuche gänzlich unterbinden zu können (das steht im Gesetz) – aber die Möglichkeit von Telefonaten nur durch bloße Überwachung der Gespräche eingegrenzt sein soll. Man müsse bei den Telefonaten eine Analogie zu den Regelungen für Besuche ziehen, zumal der Sinn der U-Haft ja die Verdunkelungsgefahr ist.

Demzufolge, so das OLG, sei im Einzelfall zu prüfen, ob ein generelles Untersagen von Telefonaten verhältnismäßig ist. Angesichts des hohen Organisationsgrads des Verdächtigen und seiner Kumpanen (diese entkamen trotz Fahndung), könne dem Kroaten das Telefonieren verwehrt werden, damit er keinesfalls Botschaften an Mittäter durchgebe. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Graz (10 Bs 85/14s) ist rechtskräftig. (aich)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2014)

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