Unterbringung: Zwang häufiger, Prüfung weniger

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Zahl der gerichtlichen Anhörungen sank relativ.

Wien. Die Zahl der zwangsweisen Unterbringungen in psychiatrischen Anstalten in Österreich ist seit dem Jahr 2000 von unter 15.000 jährlich auf mehr als 23.000 im Jahr 2014 gestiegen. Der Anstieg der gerichtlichen Überprüfung dieser Maßnahme, die binnen vier Tagen stattfinden muss, ist demgegenüber weniger deutlich ausgefallen (von 8459 auf 12.244), sodass die Zahl der gerichtlichen Prüfungen relativ gesehen gesunken ist (von 57,57% auf 52,13%). Das geht aus der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Grünen durch Justizminister Wolfgang Brandstetter hervor.

„Massiver Eingriff“

Die Unterbringung soll die Betroffenen und ihre Umgebung schützen. „Die Freiheitsentziehung ist ein massiver Grundrechtseingriff, selbst wenn sie nur ein paar Tage dauert“, sagt der Grüne Justizsprecher, Albert Steinhauser, zur „Presse“. Der Rückgang der Überprüfungen sei „besorgniserregend“. Der Abgeordnete appelliert ans Gesundheitsministerium zu klären, wie es dazu gekommen ist und ob Patienten gezielt vor Ende der Viertagefrist entlassen würden, um der Anhörung vorzubeugen.

Peter Barth, Leiter der Abteilung für Familien-, Personen- und Erbrecht im Justizministerium, warnt vor vorschnellen Schlüssen aus der Statistik. Einerseits könne der Anstieg der Unterbringungen darauf zurückzuführen sein, dass vermehrt Personen statt einmal sehr lang ein paarmal kurz untergebracht würden. Die Toleranz der Bevölkerung gegenüber psychisch auffälligem Verhalten dürfte gesunken sein, soziale Auffangnetze außerhalb der Psychiatrie hielten weniger gut. Andererseits wirkten Medikamente heute oft sehr rasch, sodass Patienten häufig vor dem vierten Tag heimgehen könnten. (kom)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2015)

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