Reingelegt: Autohalter haftet dennoch

(c) FABRY Clemens
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Ein Unbekannter borgte sich mit einem gestohlenen Führerschein einen Wagen bei einer Möbelfirma aus. Das Unternehmen haftet für Schäden, die der Unbekannte verursachte.

Wien. Wer einen Wagen verleiht, sollte besser ganz genau prüfen, mit wem er es zu tun hat. Das zeigt eine aktuelle Entscheidung des Obersten Gerichtshofs.

Im Mittelpunkt stand eine Firma, die ein Möbelgeschäft betreibt. Ein Mann lieh sich in einer Filiale einen Pritschenwagen von der Möbelfirma aus. Er gab sich als Franz M. (Nachname anonymisiert) aus und wies einen Führerschein vor. Es war tatsächlich der Führerschein von besagtem Franz, nur dass diesem die Lenkerberechtigung gestohlen worden war. Wer hier das Auto wirklich ausborgte, sollte im Dunkeln bleiben. Der Mitarbeiterin der Möbelfirma fielen jedenfalls keine Unstimmigkeiten zwischen dem Bild am Führerschein und der Person, die den Wagen tatsächlich abholte, auf. Auch beim Betrachten der Unterschrift schöpfte die Angestellte keinerlei Verdacht.

Das Kfz brachte der mysteriöse Entleiher freilich nicht wie ausgemacht um 22 Uhr zurück. Stattdessen wurde der Lagerleiter der Möbelfirma darüber informiert, dass der falsche Franz mit dem Wagen in eine Kollision verwickelt war. Zwei Fahrzeuge wurden beschädigt. Der Eigentümer der beschädigten Wagen klagte. Ihm sei durch die Kollision des Pritschenwagens mit zwei von ihm abgestellten Fahrzeugen ein Schaden in Höhe von rund 19.000 Euro entstanden. Geklagt wurde der Betreiber des Möbelgeschäfts sowie der Haftpflichtversicherer des Pritschenwagens, die nach dem EKHG (Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz) für die Schäden haften würden.

Keine Schuld, keine Haftung?

Zwar muss man laut dieser Norm grundsätzlich für Schwarzfahrer, also für Leute, die einen Wagen ohne Erlaubnis benutzen, nicht einstehen. Hier aber schon, zumal der Wagen ja dem falschen Franz von der Möbelfirma überlassen wurde, argumentierte der Kläger. Die Mitarbeiterin des Möbelgeschäfts habe es schließlich verabsäumt, die Identität des Kunden genau zu prüfen.

Die Möbelfirma hingegen wandte ein, dass der unbekannte Lenker das Fahrzeug arglistig herausgelockt habe. Man hafte daher nicht. Das sah das Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen auch so. Das Möbelgeschäft habe die Schwarzfahrt des falschen Franz nicht schuldhaft ermöglicht, daher gebe es keine Haftung. Ganz abgesehen davon, dass man nicht feststellen könne, wo sich wann welcher Unfall mit welchen Beteiligten abgespielt hat.

Das Oberlandesgericht Wien hob das Urteil auf. Es spiele gar keine Rolle, ob jemand den Wagen durch eine arglistige Täuschung herausgelockt habe. Es reiche, dass der Wagen faktisch von der Möbelfirma dem Unfalllenker überlassen worden sei.

Vor dem Obersten Gerichtshof brachten Möbelhändler und Versicherung dann sogar vor, der Kläger selbst habe den Pritschenwagen herausgelockt, um damit einen Verkehrsunfall mit seinen Kfz vorzutäuschen. Das wurde von den Höchstrichtern als unzulässige, weil zu spät eingebrachte Neuerung qualifiziert.

Blieb die Frage, wem die Fahrt des falschen Franz zuzurechnen ist. Um das zu klären, betrachtete der OGH die fragliche Gesetzesstelle (§ 6, Absatz 2 EKHG) genau. Demnach gilt die Haftungsbefreiung für Schwarzfahrer nicht, wenn „das Kraftfahrzeug vom Halter überlassen war“. Von einer arglistigen Täuschung sei hierbei keine Rede, weswegen es auf eine solche tatsächlich nicht ankomme, meinte der OGH.

Überlassen allein entscheidend

Der „Wortlaut legt nahe, dass es nur auf das faktische Überlassen des Fahrzeugs ankommt und nicht auf die rechtliche Wirksamkeit des zugrunde liegenden Geschäfts bzw. der zugrunde liegenden Erklärung“, entschied der OGH (2 Ob 120/15h). Dafür würde auch der Zweck der Norm sprechen. Wenn sich jemand eigenmächtig ein Fahrzeug beschaffe, hafte dieser und nicht der Wagenhalter. Aber: „Verschafft der Halter dem Benutzer selbst die Gewahrsame, indem er ihm das Fahrzeug überlässt, so trägt der Halter das Risiko allein.“ Eine Möglichkeit zu prüfen, ob der Fahrer vertrauenswürdig ist, habe in diesem Fall ja auch bestanden.

Im Ergebnis müssen die Möbelfirma und ihre Haftpflichtversicherung für die Schäden, die durch die Fahrt des falschen Franz entstanden, einstehen. Ob es überhaupt Schäden durch den ausgeborgten Wagen gibt und was damals eigentlich genau passiert ist, wird nun in weiterer Folge im Verfahren geklärt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2015)

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