Steuerdaten: EU droht Unternehmen mit Pranger

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Die EU-Kommission will internationale Konzerne zwingen, steuerlich relevante Daten zu veröffentlichen. Das mag ins Mittelalter passen, nicht aber in zivilisierte Rechtsstaaten.

Wien. Vor Kurzem hat die EU-Kommission eine verpflichtende Veröffentlichung steuerlich relevanter Unternehmensdaten vorgeschlagen. Danach sollen international tätige Unternehmen zur Offenlegung detaillierter Angaben über Geschäftsmodell, Gewinn, Umsatz, Mitarbeiterzahl im Internet verpflichtet werden. Die Offenlegungspflicht soll dabei für EU-Staaten länderweise erfolgen (sog. Public Country by Country Reporting – Public CBCR). Für Gewinne in – noch zu definierenden – Steueroasen ist als politische Reaktion auf die Panama-Papers eine gesonderte Veröffentlichungspflicht vorgesehen.

Sinn des Public CBCR ist es, den Druck der Öffentlichkeit auf eine vermutete aggressive Steuerplanung von Großkonzernen zu erhöhen. In der Tat hat in den vergangenen Jahren die von der Öffentlichkeit als zu niedrig empfundene Steuerlast einzelner Unternehmen (wie Amazon, Starbucks, Google oder McDonald's) zu außergewöhnlich intensiven öffentlichen Diskussionen geführt. Einer solchen medialen Debatte will die EU nun alle Großunternehmen aussetzen.

Gefühlte Ungerechtigkeit

Die Erfahrungen damit sind aber denkbar schlecht: In aufgeheizter Stimmung werden Unternehmen und deren Vertreter regelrecht an den Pranger gestellt und zum Gegenstand medialer Hetze gemacht. Dabei hat das Publikum oft keinen Einblick in die konkreten Verhältnisse und kann daher gar nicht einschätzen, ob zu wenig Steuern bezahlt werden. Stattdessen erzeugen gefühlte Ungerechtigkeiten, ideologisch geprägtes Denken und die Finanzierungssorgen von Wohlfahrtsstaaten einen Generalverdacht der Steuerflucht. In dieser Stimmung ist es kaum möglich, die zugrundeliegenden steuerlichen Rechtsfragen – und es geht immer um Rechtsfragen – mit der gebotenen Sachlichkeit zu würdigen.

Das führt so weit, dass manche Unternehmen sich nur durch das Sühneopfer freiwillig bezahlter Mehr-Steuern (die sie in Wahrheit gar nicht schulden) aus diesem Hexenkessel befreien können. Manager werden vor Tribunale gezerrt, wo sie geradezu als „Staatsfeinde“ persönlich für die (oft völlig gesetzeskonforme!) Steuerplanung ihrer Unternehmen verantwortlich gemacht werden. All diese Entwicklungen mögen ins Mittelalter passen, in einem zivilisierten Rechtsstaat haben sie aber nichts verloren.

Diese Veröffentlichungspflicht soll auf große internationale Unternehmen mit Konzernumsatz über 750 Millionen Euro beschränkt sein. Nach ersten Schätzungen würde dies in Österreich rund 150 Unternehmen treffen. Unter diesen Flaggschiffen der österreichischen Wirtschaft sind zahlreiche Familienunternehmen, die oft seit Generationen ein Rückgrat der österreichischen Volkswirtschaft bilden und die oft sehr stark mit den dahinter stehenden Familien identifiziert werden. In Österreich wären es daher nicht nur anonyme Großkonzerne, sondern vor allem konkrete Einzelpersonen, die einer von Emotionen gesteuerten Öffentlichkeit vorgeführt werden. Das verleiht dem ohnehin schon sensiblen Thema Public CBCR in Österreich eine besondere Schärfe.

Fiskus erkennt Steuerflucht

Niemand hätte nun ein wirkliches Problem damit, relevante Daten an die Steuerverwaltungen der einzelnen EU-Länder herauszugeben. Die Steuerverwaltungen (und die Gerichte, die ihre Entscheidungen kontrollieren) sind nämlich durchaus in der Lage, legale Steuerplanung von illegaler Steuerflucht zu unterscheiden. Die aus solchen Fällen entstehenden Rechtsstreitigkeiten sind zwar ohne Zweifel für sich ein schwieriges Thema, weil gerade bei grenzüberschreitenden Steuer-Streitfällen die heute vorhandenen Streitlösungsmechanismen nur wenig effektiv sind. Aber immerhin sind rechtsstaatliche Verfahren vorhanden, in denen man den Vorwurf, „zu wenig“ Steuer gezahlt zu haben, klären kann.

Ganz anders ist dies bei Vorwürfen der Öffentlichkeit: Sind hier einmal Reputationsschäden entstanden, sind sie – ob berechtigt oder nicht – praktisch nicht mehr aus der Welt zu bekommen. Dies gilt umso mehr, als bei leichtfertig erhobenen öffentlichen Vorwürfen nicht einmal die Finanzverwaltung mäßigend einschreiten kann. Denn das Amtsgeheimnis verbietet es der Finanzverwaltung, in konkreten Steuerfällen zu medialen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Gleichzeitig bietet gerade das strenge Amtsgeheimnis dem Steuerpflichtigen einen Anreiz zur vollständigen Offenlegung und Kooperation gegenüber der Finanzverwaltung, da er seine sensiblen Steuer-Informationen dort gut aufgehoben weiß. Das derzeit vergiftete Klima zum Thema Steuer zeigt, dass das ein hoher Wert ist. Wer bewusst Steuer-Daten an die Öffentlichkeit bringen will, muss daher klar sehen, dass dies am Ende ein Versteckspiel mit der Finanzverwaltung nicht verhindern, sondern sogar fördern wird. Die EU wäre daher auch deshalb gut beraten, auf ein Public CBCR zu verzichten.


Claus Staringer ist Professor am Institut für Österreichisches und Internationales Steuerrecht an der WU und Partner bei Freshfields, Eva Hickl ist Rechtsanwältin bei Freshfields.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2016)

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