EU-Gericht gewährt Schadenersatz wegen eigener Langsamkeit

Benedikt Kommenda
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Die Europäische Union muss zwei Verpackungsunternehmen rund 50.000 Euro Entschädigung zahlen, weil das Gericht der EU 20 Monate lang untätig war.

Wenn das Gericht der Europäischen Union in Luxemburg zu langsam entscheidet, muss die EU die betroffenen Parteien entschädigen. Das geht aus einem heute veröffentlichten Urteil hervor, mit dem dieses Gericht selbst zwei Unternehmen erstmals Schadenersatz wegen eines überlangen Verfahrens zugesprochen hat (T-577/14). Mit insgesamt 57.064,33 Euro für materielle und immaterielle Schäden nimmt sich die Entschädigung eher symbolisch aus, hatten die Unternehmen doch vier Millionen Euro gefordert. Der Weg zu einem finanziellen Ausgleich für Verfahrensverzögerungen in Luxemburg ist damit aber eröffnet, und es sind schon jetzt vier weitere Verfahren anhängig, in denen Unternehmen Schadenersatz wegen überlanger Verfahren fordern.

Kartellbuße von 13,2 Millionen Euro

Gascogne Sack Deutschland (vormals Sachsa Verpackung) und Gascogne (vormals Groupe Gascogne) hatten am 23. Februar 2006 beim EU-Gericht auf Nichtigerklärung einer Entscheidung der Kommission in einem Kartellverfahren im Sektor für industrielle Sackverpackungen geklagt. Sie waren damit zu Geldbußen von 13,2 Millionen Euro verpflichtet worden. Das Gericht wies die Klagen fast sechs Jahre später, am 16. November 2011, ab. Der EU-Gerichtshof bestätigte die Urteile nach weiteren zwei Jahren; er hielt dabei aber fest, dass die beiden Unternehmen Klagen auf Ersatz eventueller Schäden wegen der überlangen Dauer des Verfahrens vor dem Gericht erheben könnten.

Und zwar genau bei jenem Gericht, das so langsam entschieden hatte. Dieses sollte bloß in einer gegenüber dem Ausgangsfall  geänderten und erweiterten Zusammensetzung entscheiden.  Das Gericht stellte nun fest, dass das in der EU-Grundrechtecharta garantierte Recht auf eine Entscheidung in angemessener Frist verletzt wurde. Zwar seien solche Kartellverfahren überdurchschnittlich komplex; auch sei wegen der parallelen Bearbeitung von insgesamt zwölf Klagen gegen die Kommissionsentscheidung eine gewisse Verlängerung gerechtfertigt. Eine Dauer von 46 Monaten zwischen dem Abschluss des schriftlichen und dem Beginn des mündlichen Verfahrens sei aber um 20 Monate zu lang.

5000 Euro wegen längerer Ungewissheit

Gascogne erhält deshalb eine Entschädigung für einen materiellen Schaden, entstanden durch die Kosten einer Bankbürgschaft zugunsten der Kommission. Gascogne Sack Deutschland konnte hingegen keinen materiellen Schaden belegen. Beide Unternehmen bekommen aber jeweils 5000 Euro Ersatz für den immateriellen Schaden in Gestalt einer längeren Ungewissheit über den Ausgang des Verfahrens.

Der Schadenersatz bleibt weiter hinter den von den Unternehmen geforderten Beträgen zurück. Allein an immateriellen Schäden hatten sie zusammen 500.000 Euro geltend gemacht. Punkto materielle Schäden hätte Gascogne mehr bekommen können: Statt der Kosten für 20 Monate hatte das Unternehmen nur jene für 30. Mai 2011 bis 16. November 2011 eingeklagt.

Zum Volltext der Entscheidung (in Französisch)

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