Umgründungsrecht: Ein Ausweg aus der Privatstiftung?

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So mancher Stifter, der sein Lebenswerk absichern will, sieht sich rechtlich gefesselt. Die fakultative Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft wäre eine Abhilfe- ein Vorschlag.

Wien. Eine Annäherung an die Redewendung stiften gehen ist „sich absetzen“, „verschwinden“, „flüchten“ oder „heimlich davonmachen“. Nun, das klingt alles nicht sehr ehrenhaft für einen Stifter, der vermeintlich sein Vermögen für einen guten Zweck in eine Stiftung eingebracht hat. Und zwar in eine Familienprivatstiftung. Hat eine Familienprivatstiftung tatsächlich etwas mit „Familie“ und „privat“ zu tun?

Die ursprüngliche Idee für Stiftungen liegt ja in der Verwendung von Vermögen für einen uneigennützigen Zweck, dabei wurden und werden von reichen Menschen, heute würde man Philantropen sagen, humanitäre oder kulturerhaltende Maßnahmen finanziell unterstützt.

Stiften heißt leben

Eine Familienprivatstiftung war wohl – Hand aufs Herz – meist zur Vermeidung von Erbschaftssteuer gedacht. Zusätzlich wurden aber viele andere Argumente hinein verpackt: Die Sicherung des Vermögens über den Tod hinaus, man weiß ja bei Nachkommen nie, wie sie mit dem Erbe umgehen werden. Der Druck von anderen gleich gesinnten Reichen: Jeder, der etwas auf sich hält, muss eine Stiftung haben. Die Manifestation von Freundschaften, die sich in der Bedenkung von Stiftungsvorstandspositionen als vermeintlichen Ehrenämtern zeigt. Oder ist doch das Kokettieren mit einer Lebensverlängerung schon jetzt zum Zeitpunkt der Stiftungsgründung damit verbunden? Denn: Vererben bedeutet Tod, stiften heißt leben.

Der Stifter sitzt bei Stiftungsvorstandssitzungen wie selbstverständlich dabei, als wäre er nach wie vor verantwortlich. Aber die Gerichte sprechen eine andere Sprache und lassen Stifter und Stiftungsvorstände erwachen. Der Stifter hat nämlich viel weniger zu sagen, als er vermeint, nämlich üblicherweise gar nichts. Und umso heftiger treffen den Vorstand die Schadenersatzansprüche von vermeintlich Geschädigten, meist den Nachkommen. Wieso entziehen Stifter überhaupt den Nachkommen den Einfluss oder den Zugriff auf ihr Vermögen? Für den Fall des Todes (ohne dass zuvor eine Stiftung gegründet worden wäre) ist ja seit jeher, und dies aus historisch belegten Gründen, prinzipiell die Weitergabe des Vermögens an die Nachkommen vorgesehen. Das Vermögen soll in der Familie bleiben.

Gerade im Wirtschaftsleben befindliche Stifter betrachten ihr Erbe so wie im Geschäftsleben wie eine Organisation, die sie wie ein Unternehmen ablaufen sehen und deshalb mit gesellschaftsrechtlichen, hier stiftungsrechtlichen Maßnahmen regeln wollen. Verkannt wird aber, dass eine Familie mit all den Konfliktsituationen eben ganz anders funktioniert als Unternehmen oder Organisationen.

Natürlich geht es den Stiftern aber auch um den „Geist“, um die „Seele“ des Unternehmens. Der Stifter will seine Geisteshaltung zwar weitergeben, hat aber keine Sicherheit, dass das in seinem Sinne erfolgen wird. Deshalb werden andere Wege gesucht und das Gewissen in einer Stiftung festgemacht. Aber den Kindern – den eigenen Kindern – nicht zuzutrauen, dass sie sich ein ähnliches Gewissen angeeignet haben wie die Eltern, bedeutet wohl, etwas falsch gemacht zu haben. Und das sollen jetzt Stiftungsvorstände lösen? Diese sollen nun das ausgelagerte Gewissen des Stifters sein – welche Überforderung!

Unternehmen nicht unendlich

Es ist verständlich, dass ein Stifter stolz auf sein „Lebens“-Werk ist. Ist das Leben aber beendet, wieso soll dann automatisch das Lebenswerk in dieser Form weiter bestehen müssen? Kann es nicht von den eigenen Kindern, wie richtig oder falsch auch immer – eben eine Frage des Gewissens – weitergeführt werden? Oder eben nicht – sondern verkauft oder zerschlagen werden? So wie das Leben notwendig endlich ist, sind auch Unternehmen nicht notwendig unendlich.

Viele Stifter befinden sich derzeit in einem emotionalen und rechtlichen Dilemma. Die Erkenntnis, dass die rechtliche Konstruktion der Stiftung sehr viel familiäres Streitpotenzial in der Zukunft in sich birgt, sowie der nicht gelöste Erbkonflikt mit den Kindern zwingen förmlich zum Nachdenken. Das Thema kreist dabei laufend um einen Punkt: Wie komme ich aus der Stiftung wieder heraus, wie löst man das Zauberlehrling-Syndrom?

Um es gleich vorwegzunehmen: Es geht nur mit einer rechtlichen Neuerung, hier vorgeschlagen mit einem Umgründungsrecht für Stiftungen.

Stille Reserven steuerpflichtig

Das Problem liegt nämlich darin, dass bei einem Widerruf von Stiftungen sämtliche Vermögenszuwächse inklusive Ausschüttungen mit dem Ausschüttungs-(Zuwendungs-)Steuersatz von 25 Prozent (künftig 27,5 Prozent) besteuert werden. Nachdem das gestiftete Vermögen der Stiftung selbst mit dem meist sehr niedrigen Buchwert zugewendet wurde, sind plötzlich stille Reserven voll steuerpflichtig; bis jetzt waren sie in der Stiftung nur steuerhängig. Ein Umgründungssteuerrecht soll diese Härte entschärfen und es ermöglichen, dass eine Stiftung in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt wird; dies soll ohne Aufdeckung möglich werden und ohne Versteuerung der stillen Reserven, die aber weiterhin steuerhängig bleiben. Der oder die Stifter werden im Verhältnis der seinerzeitigen Vermögenseinlagen Gesellschafter.

Wenn auch der weit verbreitete Schrei nach Besteuerung der „Reichen“ laut ist, so sollte doch denjenigen, die in ihrem Leben viel geleistet haben und deshalb auch über Vermögen verfügen, das Steuern generiert, aus einer emotionalen und rechtlichen Notlage geholfen werden.


Dr. Anton Schmidl ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Geschäftsführender Gesellschafter der SOT Süd-Ost Treuhand, Universitätslektor an der WU Wien und der Universität Klagenfurt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2015)

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