Vergleich: Alles in einer Hand

Angloamerikanische Aktiengesellschaften trennen Leitung und Aufsicht nicht.

Wien. Die Europäische Kommission hat sich bei ihrem Entwurf zur Änderung der Aktionärsrechte-Richtlinie an angloamerikanischem Gesellschaftsrecht orientiert. Das unterscheidet sich jedoch in ganz wesentlichen Punkten vom deutschen und österreichischen Aktienrecht.

Das zeigt sich deutlich an der unterschiedlichen Organisation der Unternehmensführung. Beim monistischen System („one-tier-system“), wie es die angloamerikanischen Rechtsordnungen vorsehen, ist die Leitung des Unternehmens nicht von der Kontrolle institutionell getrennt. Beides wird von ein und demselben Organ, dem Board of Directors oder dem Verwaltungsrat, wahrgenommen.

Deshalb ist es laut EU-Kommission notwendig, dass der Hauptversammlung mehr (Kontroll-)Befugnisse eingeräumt werden.

Anders funktioniert das dualistische System („two-tier-system“), welches das österreichische Aktienrecht vorsieht. Nach § 79 Aktiengesetz leitet der Vorstand unter eigener Verantwortung die Gesellschaft. Beaufsichtigt und kontrolliert wird er dabei von einem anderen Organ, dem Aufsichtsrat. Deshalb ist es auch unvereinbar, dass Vorstandsmitglieder gleichzeitig dem Aufsichtsrat angehören. Unternehmensführung und -aufsicht sollen gerade nicht vermengt werden.

Unterschiedliche Interessen

Der Hauptversammlung kommt hier eine andere Rolle zu. Sie entscheidet vor allem über Maßnahmen, die eine strukturelle Veränderung des Unternehmens mit sich bringen, wie Kapitalmaßnahmen oder Satzungsänderungen. Über Fragen der Geschäftsführung entscheidet sie nach österreichischem Recht nur, wenn dies der Vorstand oder der Aufsichtsrat verlangt.

Ganz bewusst sollen die Aktionäre nicht in die laufende Geschäftstätigkeit der Gesellschaft eingebunden sein. Denn die Interessenlage der Aktionäre kann stark von jener des Vorstands abweichen. Während der Vorstand sich am Wohl des Unternehmens zu orientieren hat, können Aktionäre sich auch von anderen Gedanken treiben lassen, wie einem kurzfristigen hohen Aktienwert.

Über die Verwendung des Unternehmensgewinns und die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats entscheiden die Aktionäre jedoch sehr wohl. (hec)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2015)

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