Anlegerklagen gegen VW: Österreich ist nicht zuständig

File photo of VW sign outside a Volkswagen dealership in London
File photo of VW sign outside a Volkswagen dealership in London(c) REUTERS (SUZANNE PLUNKETT)
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Österreichische Gerichte wiesen drei Klagen von Anlegern zurück – diese müssten demnach in Deutschland prozessieren.

Wien. Wegen der Abgasaffäre liegt VW nicht nur mit Autokäufern im Streit. Sondern auch mit Anlegern, die durch den Kursabsturz der Volkswagen-Aktie Geld verloren haben. Die Vorwürfe laufen im Wesentlichen darauf hinaus, das Unternehmen habe die Manipulation der Abgaswerte verschwiegen und den Markt getäuscht.

Auch österreichische Anleger haben VW deshalb verklagt – zum Teil vor österreichischen Gerichten. Für solche Kläger gab es jedoch erste Rückschläge: In zumindest drei Fällen haben Gerichte Klagen zurückwiesen. Sie kamen zum Schluss, Österreich sei für die Verfahren nicht zuständig. Österreichische Anleger müssten demnach in Deutschland prozessieren.

Der Grund ist eine Gerichtsstandsvereinbarung in der Satzung von Volkswagen, die festlegt, dass für Streitigkeiten zwischen der Gesellschaft und den Aktionären der Gerichtsstand am Firmensitz gilt. In zwei Fällen, über die das Landesgericht Korneuburg zu entscheiden hatte, beriefen sich Kläger jedoch auf ihre Konsumenteneigenschaft und den Verbrauchergerichtsstand am Wohnsitz des Konsumenten. Das Gericht sah das anders: Verbraucher seien die Anleger nur im Verhältnis zu der Bank, bei der sie die Aktien gekauft haben. Gegenüber Volkswagen hätten sie als Aktionäre den Status von Mitgesellschaftern und seien deshalb an die Gerichtsstandsklausel gebunden.

Nicht sittenwidrig

Dass diese Klausel sittenwidrig sei, verneinten die Richter ebenfalls – sowohl in Korneuburg als auch beim Handelsgericht Wien, wo ein weiterer Fall anhängig war. Ihrer Ansicht nach ist es sogar naheliegend, solche Prozesse dort zu führen, wo die Gesellschaft ihren Sitz hat und an der Börse notiert. Die Gleichbehandlung der Aktionäre werde dadurch gewahrt, und auch unionsrechtlich könne keine Intention bestehen, die Verfahren EU-weit zu zersplittern. Zudem sei das schädigende Ereignis in Deutschland eingetreten, das spreche ebenfalls für die Zuständigkeit deutscher Gerichte.

Wird diese Judikatur vom OGH bestätigt, hat das auch für andere Anlegerverfahren Folgen: Will ein österreichischer Anleger seine Bank verklagen, weil er sich falsch beraten fühlt, kann er das zwar weiterhin in Österreich tun. Richten sich die Vorwürfe aber direkt gegen eine ausländische AG, deren Aktionär man ist, muss man im Ausland vor Gericht ziehen – umso mehr, wenn die Satzung der AG das so vorsieht. Für die Anleger muss das nicht immer ein Nachteil sein: So gibt es in Deutschland das sogenannte Kapitalanleger-Musterverfahren, eine Art Sammelklage, der man sich anschließen und so das Kostenrisiko senken kann. Voraussetzung ist, dass sich mindestens zehn Anleger beteiligen.

Auswirkungen haben die Entscheidungen aber auch für österreichische Unternehmen, die an der Wiener Börse notieren und in ihren Satzungen ähnliche Gerichtsstandsklauseln haben: Für Klagen ausländischer Anleger gegen sie sind demnach österreichische Gerichte zuständig. Käme ein Unternehmen in eine vergleichbare Situation, müsste es nicht befürchten, in etlichen EU-Ländern verklagt zu werden. Gesichert ist das freilich noch nicht: Das wäre erst der Fall, wenn nicht nur das heimische Höchstgericht, sondern auch der EuGH diese Rechtsansicht bestätigt.

AUF EINEN BLICK

Anlegerklagen.Zwei österreichische Gerichte haben Klagen von Anlegern gegen VW zurückgewiesen: In einem Streit zwischen Aktionär und Aktiengesellschaft könne man sich nicht auf den Verbrauchergerichtsstand berufen. Eine Gerichtsstandsklausel, nach der man im Ausland klagen müsste, sei auch nicht sittenwidrig. Es handelt sich um erstinstanzliche Entscheidungen, ob sie halten werden, steht noch nicht fest.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2016)

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