EuGH belohnt Innovation im Emissionshandel

Energieerzeugung aus Kohle und Wind
Energieerzeugung aus Kohle und Wind(c) APA/dpa/Julian Stratenschulte (Julian Stratenschulte)
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Für Kohlendioxid, das dank neuer Technologien nicht in die Atmosphäre emittiert wird, müssen keine Zertifikate zurückgegeben werden.

Entgegen der Ansicht der Europäischen Kommission und einigen Mitgliedstaaten unterliegt nach dem europäischen Höchstgericht nur tatsächlich in die Atmosphäre emittiertes CO2 dem Emissionshandel. Davon können nun technisch innovative Unternehmen profitieren.

Ob das durch die Emissionshandelsrichtlinie der EU (2003/87/EG) eingeführte System nun im Sinne ihrer Erfinder tatsächlich dazu beiträgt, die Verpflichtungen der Union zur Verringerung der anthropogenen Treibhausgasemissionen „durch einen effizienten europäischen Markt für Treibhausgasemissionszertifikate effektiver und unter möglichst geringer Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Entwicklung und der Beschäftigungslage“ zu erfüllen (5. Erwägungsgrund), darüber scheiden sich bekanntlich die Geister. Mit einem bemerkenswerten Erkenntnis vom 19.01.2017 stärkt der EuGH nunmehr aber insbesondere technisch innovativen Industrieunternehmen kräftig den Rücken (C-460/15, Schäfer Kalk).

Wie der Emissionshandel abläuft

Aber der Reihe nach: Unternehmen, die dem Emissionshandelssystem unterliegen erhielten von Anbeginn an CO2-Zertifikate von den Mitgliedstaaten für die bei ihrer Tätigkeit anfallenden Treibhausgase zugeteilt. Zu Beginn gratis, mittlerweile nicht mehr im vollen Ausmaß kostenlos. Für das in einem Kalenderjahr bei den Unternehmen ausgestoßene CO2 müssen dann so viele Zertifikate den Mitgliedstaaten zurückgegeben werden, wie es der Menge an ausgestoßenem CO2 entspricht. Geht sich das mit den gratis zugeteilten Zertifikaten aus, gut für den jeweiligen Betrieb. Wurde mehr CO2 ausgestoßen als Zertifikate vorhanden sind, dann müssen die Betriebe ebensolche auf dem Zertifikatsmarkt zukaufen, um die Rückgabeverpflichtung erfüllen zu können. Über diesen finanziellen Hebel soll also der Anreiz geschaffenwerden, weniger CO2 in die Atmosphäre auszustoßen.

Produktion von künstlichem Kalziumkarbonat

So weit, so gut. Ausgenommen von dieser Rückgabeverpflichtung waren nur CO2-Mengen, die für die Abscheidung und langfristigen Speicherung in geologischen Strukturen verwendet, also dem nicht unumstrittenen carbon capture and storage (CCS) zugeführt werden. Die Europäische Kommission hat dies in einer entsprechenden Verordnung so festgelegt. Nur gibt es daneben auch andere Technologien, die eine Abscheidung und Verwendung von CO2 erlauben, ohne dass das CO2 dabei in die Atmosphäre gelangt. So kann das CO2 beispielsweise auch für die Herstellung von künstlichem Kalziumkarbonat (PCC) verwendet werden. Dabei wird es in Form einer stabilen chemischen Verbindung so gebunden, dass es ebenfalls nicht in die Atmosphäre gelangt.

Ein solches Verfahren wendete im Ausgangsrechtsstreit die Firma Schäfer Kalk in Deutschland an. Sie wollte erreichen, für dieses CO2, welches nachgerade nicht in die Atmosphäre gelangt, keine Zertifikate zurückgeben zu müssen. Die deutschen Behörden verweigerten eine entsprechende Genehmigung dafür, das um Rechtsschutz angerufene Verwaltungsgericht Berlin wandte sich an den EuGH.

Ausnahme für Speicherung im Boden zu eng

Dieser hielt nun unmissverständlich fest, dass die Kommission mit der einzigen Ausnahme für das CCS über das Ziel der Richtlinie hinausgeschossen ist und damit ihre Kompetenz überschritten hat. Neben CO2, das dem CCS zugeführt wird, kann es eben auch andere Verfahren geben, bei denen das CO2 nicht in die Atmosphäre freigesetzt wird, wie die gegenständliche PCC-Produktion. Auch in diesen Fällen darf dieses CO2 nicht (rechnerisch) dem tatsächlich in die Atmosphäre emittierten CO2 zugeschlagen werden (was die erwähnte Abgabeverpflichtung für die Zertifikate bedeutet).

Emissionshandelspflichtige Unternehmen klagen oftmals darüber, dass die Kosten für die Teilnahme daran zu einem Standortnachteil innerhalb der EU führen würden. Durch die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Schäfer Kalk wird nun aber eine der tragenden Säulen dieses Systems gestärkt. Es sind nun nicht mehr nur Abluftreinigungssysteme oder CO2-minimierende Produktionstechniken, die die Kosten der Teilnahme am Emissionshandel für die betroffenen Betriebe senken können. Auch technische Innovationen, die ebenso verhindern, dass das CO2 in die Atmosphäre gelangt, senken diese Kosten. Unter dem Strich bleiben den Unternehmen nämlich die korrespondierenden CO2-Zertifikate erhalten. Diese können - sofern sie nicht innerbetrieblich benötigt werden - beispielsweise am Markt verkauft werden. Benötigen die Unternehmen aber mehr Zertifikate, als ihnen (eventuell gratis) zugeteilt worden sind, dann können sie innerbetrieblich “umgebucht” werden - und ein ansonsten erforderlicher Zukauf von Zertifikaten ist in diesem Ausmaß nicht erforderlich.

Verringerung der Treibhausgase mit neuer Technik

Damit bestätigt der EuGH gleichzeitig ein Lehrbuchbeispiel für das, was wir in Österreich (Wirtschafts-) Lenkungsrecht nennen. Der Gesetzgeber schafft ein (hier über finanzielle Hebel ausgestaltetes) Anreizsystem, das den Rechtsunterworfenen motiviert, technologische Innovationen zur Zielerreichung (weniger Treibhausgase) zu setzen. Da durch den Einsatz solcher Technologien faktisch weniger CO2 in die Atmosphäre emittiert wird, war die Umwelt jedenfalls schon vor diesem Gerichtsurteil Gewinner. Nunmehr ist auch das innovative Unternehmen Gewinner, weil es wirtschaftlich profitieren kann. Und eigentlich ist auch der EU-Vollzug Gewinner, weil ja das angestrebte Anreizsystem zu funktionieren scheint. Auch wenn sich die Europäische Kommission im konkreten Ausgangsfall vielleicht nicht als Gewinner fühlt, macht das insgesamt eine Win-win-win-Situation.

Die EuGH-Entscheidung im Volltext

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