„Forschung muss transparent werden“

NATIONALRAT: MAURER
NATIONALRAT: MAURER(c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
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Die grüne Wissenschaftssprecherin Sigrid Maurer befürchtet durch die ÖVP-Rochade einen Bedeutungsverlust der Wissenschaft. Sie will mehr Kontrolle bei der Forschungsförderung.

Die Presse: Der Wissenschaftsminister wurde – ziemlich plötzlich – jetzt auch zum Vizekanzler und ÖVP-Chef. Das müsste Sie freuen, oder? Die Wissenschaft könnte wieder mehr Gewicht bekommen.

Sigrid Maurer: Nein, ganz im Gegenteil. Das freut mich überhaupt nicht. Erstens hat ein ÖVP-Parteichef meist noch weniger Zeit, seine inhaltlichen Agenden wahrzunehmen. Und zweitens scheint es ja nicht so, als würde er die Wissenschaft tatsächlich zur Kernaufgabe machen. Nachdem Österreich also vor neun Monaten das eigenständige Wissenschaftsministerium abgeschafft hat, soll der Bereich jetzt auch noch in ein Staatssekretariat verräumt werden. Das ist eine weitere Abwertung.

Dass es einen eigenen Staatssekretär oder eine Staatssekretärin geben wird, die sich des Themas annimmt, kann doch inhaltlich von Vorteil sein.

Ein Staatssekretariat hat gar keine Kompetenzen, kein Stimmrecht im Ministerrat. Da geht es nur darum, dem Minister die unangenehmen Arbeiten vom Hals zu halten.

Freut es Sie zumindest, dass mit Vetmed-Chefin Sonja Hammerschmid eine Frau als Kandidatin genannt wurde?

Mehr Frauen in der Regierung sind natürlich dringend nötig. Aber ich denke, soweit wird es leider wieder nicht kommen. Es haben sich ja bereits andere Kandidaten in Stellung gebracht.

Welche Probleme sind – wie auch immer das Ressort in Zukunft strukturiert sein wird – im Wissenschaftssekttor aus Ihrer Sicht die drängendsten?

Es geht nach wie vor leider um die Sicherstellung der Finanzierung. Es fehlt für den Zeitraum von 2016 bis 2018 insgesamt eine Milliarde Euro für die Universitäten.

Reinhold Mitterlehner hat bereits angekündigt, eine Milliarde auftreiben zu wollen – allerdings für Unis und Forschungseinrichtungen zusammen. Das ist zu wenig?

Das Budget ist doch nur eine Trickserei. Zuerst verspricht man eine Uni-Milliarde, dann rechnet man plötzlich die mehr als 300 Millionen, die an FWF und Co gehen sollen, mit hinein. Das ist doch keine Milliarde mehr. Fakt ist, dass die österreichischen Unis bei der Finanzierung im internationalen Vergleich sehr schlecht dastehen. Das Problem: Die heimischen Unis werden so in immer größere Abhängigkeit von Drittmitteln gedrängt.

Dass es manchen Unis sehr gut gelingt, Drittmittel einzuwerben, ist Ihnen also keine anerkennenden Worte wert?

Darum geht es gar nicht. Es geht darum, dass die Forschungsfinanzierung problematisch aufgestellt ist. Wir sind mit einer Situation konfrontiert, in der die Unabhängigkeit der Wissenschaft gefährdet ist. Der Einfluss der Wirtschaft auf die universitäre Forschung nimmt zu. Private Drittmittel sind immer an Interessen geknüpft. Und wir haben zu wenige Instrumente, mit denen wir kontrollieren können, was das für die Forschung bedeutet – siehe etwa die Pentagon-Gelder (Zuletzt gab es Kritik, dass z.B. Josef Penninger Forschung mit US-Geld finanziert, Anm.).

Wie müssten denn aus Ihrer Sicht die Kontrollmechanismen aussehen, die den Einfluss der Wirtschaft in die richtigen Bahnen lenken könnten?

Da müssen wir einen Diskussionsprozess mit den Forschern und Forscherinnen starten. International gibt es aber Beispiele, wie man mit dem Problem umgehen kann. Etwas durch Einführung von Ethik-Kommissionen oder Scientific-Advisory-Boards. Ein wichtiger Punkt ist in jedem Fall – und zwar unabhängig davon, ob es sich um privat oder öffentlich finanzierte Forschung handelt – die Transparenz. Wir haben in Österreich ein riesiges Transparenzproblem.

Wie äußert sich das?

In Österreich werden ja oft nicht einmal die von der öffentlichen Hand an öffentlichen Institutionen in Auftrag gegebenen Studien veröffentlicht. Hier müssen wir dringend einen Schritt in Richtung „Open Access“ machen.

Das heißt, Sie fordern die unbedingte freie Veröffentlichung aller Forschungsergebnisse an heimischen Institutionen?

Was mit öffentlichen Geldern oder an einer öffentlichen Einrichtung erforscht wurde, das muss allen Menschen zugänglich sein.

Haben wir ein Problem mit der wissenschaftlichen Qualität?

Wir haben vor allem ein Problem mit den prekären Dienstverhältnissen an den Universitäten. Und diese führen durchaus zu Qualitätsproblemen, ja.

Was fordern Sie?

Das Ministerium ist gefordert, dafür zu sorgen, dass es Unis verunmöglicht wird, junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in derart prekäre Dienstverhältnisse zu drängen. Das ist ein Problem, das vor allem die Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften betrifft. Und damit auch überdurchschnittlich viele Frauen. Diese Menschen stecken in Kettenverträgen und müssen von Jahr zu Jahr mit der Unsicherheit leben, nicht zu wissen, wie es weitergeht. Sie verdienen wenig, haben keine Planungssicherheit. Diese Menschen haben ja oft nicht einmal ein Büro, in dem sie arbeiten können oder müssen sich oft sogar die Kopien für ihre Lehrveranstaltungen selbst zahlen. Klar wirkt sich das auf die Qualität der Arbeit aus.

Wo sehen Sie das konkret?

Das sehe ich daran, dass es sich viele nicht mehr leisten können, beim FWF einen Antrag für an sich tolle Projekte zu stellen. So einen Antrag zu stellen kostet viel Zeit, die einem nicht bezahlt wird. Wissend, dass der FWF immer mehr stark förderungswürdige Projekte aus finanziellen Gründen ablehnt, tun sich das viele Forscher und Forscherinnen nicht mehr an. Das ist ein Teufelskreis. Das ist Raubbau an dem wissenschaftlichen Potenzial, das wir eigentlich hätten!

Klingt so, als ließe sich das alles nur mit mehr Geld lösen.

Es ist ja nicht so, dass wir kein Geld haben. Wir haben uns ja auch extrem teure Maßnahmen wie eine Erhöhung der Familienbeihilfe geleistet, die niemandem wirklich etwas bringt. Natürlich können wir auch über Vermögenssteuern reden. Aber das ist jetzt nicht das Thema. Mir geht es um die falsche Prioritätensetzung.

Sie waren vergangene Woche in Alpbach. Dort wurde viel von Innovation gesprochen.

Inhaltlich ist Alpbach doch weitgehend sinnentleert. Alpbach ist und war nie das große Denkzentrum, das es behauptet zu sein. So etwas bringt uns nicht weiter.

ZUR PERSON

Sigrid Maurer ist seit der vergangenen Nationalratswahl Wissenschaftssprecherin der Grünen im Nationalrat. Von 2009 bis 2011 war die gebürtige Tirolerin für die grüne Studierenden-fraktion Vorsitzende der Österreichischen Hochschülerschaft. In
dieser Funktion hat sie sich vor allem während der Uni-Besetzungen in den Jahren 2009 und 2010 einen Namen gemacht. Die 29-Jährige studiert

derzeit Soziologie an der Universität Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2014)

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