Trieben doch Vulkane die Dinos in den Tod?

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Der Streit um das Ende der früheren Herren der Erde nimmt kein Ende: Nun schiebt sich wieder die lange an den Rand gedrängte Vulkanismus-Hypothese nach vorn, und das Journal „Science“ schiebt kräftig mit.

Wen interessiert schon, was vor etwa 65 Millionen Jahren geschah? Fast jeden interessiert es – die alten Herren der Erde verschwanden –, und in den Wissenschaften wird selten so verbissen über etwas gestritten wie darüber, warum die Dinosaurier gehen mussten. Lange setzte man auf Vulkanausbrüche, aber dann, 1979, fanden Vater und Sohn Alvarez in Gubbio, Italien, etwas, was vor 65 Millionen Jahren in den Erdboden geraten war, Iridium. Das ist auf der Erde rar, in Asteroiden häufig, es musste von einem gewaltigen Einschlag stammen, einem „giant impact“.

Die Zunft schüttelte die Köpfe, man kannte keinen entsprechenden Krater. Aber dann fand sich 1985 ein Wink, in Texas: Vor 65 Millionen Jahren war ein Tsunami über das Land gefahren, von der Karibik her. Und dort rundete sich Anfang der 90er-Jahre das Bild, bei Erdölbohrungen vor der Küste Yucatans stieß man auf einen Krater, Chixculub, 180 Kilometer Durchmesser, 30 Kilometer Tiefe. Rechnet man das um, muss ein Himmelskörper mit zwölf Kilometer Durchmesser so rasch in die Erde gefahren sein, mit 20 Kilometer pro Sekunde –, dass eine Milliarde Mal mehr Energie freigesetzt wurde als von der Bombe von Hiroshima.

Bald fand man die „Iridiumanomalie“ allerorten auf der Erde, die Impakt-Hypothese setzte sich durch – und sie wurde durchgesetzt, vor allem von Louis Alvarez, dem Vater, einem Physiker, der 1968 den Nobelpreis erhalten hatte. Der machte sich nicht nur über Paläontologen lustig, die Funde vorwiesen, die auf ein langsames Hinsiechen der Dinos deuteten – und nicht auf einen Tod mit einem Schlag –, er nannte sie „Briefmarkensammler“, ruinierte auch Karrieren. „Louis war keine sanfte Person“, erinnert sich Paul Renne (Berkeley): „Viele Leute mit anderer Ansicht wurden herumgeschubst.“

Auf Konferenz niedergeschrien

Wie auch immer, die Einschlagshypothese hatte ab nun das Sagen. Aber ein paar Widerstandsnester hielten sich, vor allem das von Gerta Keller. Die gebürtige Schweizerin ist seit 1984 in Princeton, 1988 machte sie Bekanntschaft mit der herrschenden Meinung, auf einer Konferenz, sie wollte ihren Vortrag halten: „Ich kam nicht einmal durch die Einleitung, da war ich schon niedergeschrien.“

Aber Keller ist zäh, sie trägt seit Jahrzehnten zusammen, was gegen den „giant impact“ spricht, zunächst wandte sie sich dem Einschlagskrater zu: In den Sedimenten fand sie kleine Meereslebewesen, die schon 300.000 Jahre vor dem Einschlag ausgestorben waren. Daraus entwickelte sie im Lauf der Jahre ein Szenario, in dem es mehrere Einschläge gegeben hatte und, vor allem: Vulkanismus. Nun schüttelte die Zunft wieder die Köpfe – natürlich sei im Einschlagskrater alles durcheinandergegangen, dort könne man nicht datieren –, anno 2010 waren alle von Keller so genervt, dass 41 Kapazitäten festschrieben, „dass der Impakt von Chixculub das Massensterben auslöste“.

Das stand in Science (327, 1214). Und dort kann man nun nachlesen, dass Keller sich wenig beeindrucken ließ: Die Vulkane, um die es geht, heißen Deccan-Trapp, sie liegen in Indien und spien über Hunderttausende von Jahren gewaltige Mengen von Lava, auch von Asche und CO2: Das hätte Hitze gebracht, und zuvor die Aschewolke Kälte. Es gab nur ein Problem: Die Deccan-Trapp spuckten zu früh! Nein, das taten sie nicht, Keller hat neu datiert – an Uran in Zirkonkristallen im Magma –, der Zeitpunkt passt exakt. Das ist eben nun in Science publiziert (12. 12.), und Science begleitet es mit einer redaktionellen Geschichte (346, S. 1281): „Zurück von den Toten. Die einst dem Sterben geweihte Idee, dass Vulkanismus beim Tod der Dinosaurier half, erlangt neue Glaubwürdigkeit.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2014)

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