Ab auf die Piste mit künstlichem Knie

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WINTER SKI(c) APA/EPA/JEAN-CHRISTOPHE BOTT (JEAN-CHRISTOPHE BOTT)
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Sportwissenschaftler räumen mit dem Vorurteil auf, dass Skifahren für Menschen mit Knieprothesen zu riskant sei. Eine Studie zeigt: Wer Ski läuft, bewegt sich auch im Alltag besser.

Es trifft meist Menschen, die ihr Leben lang sportlich recht aktiv sind, Marathons laufen, viel Wandern und im Winter gern Ski fahren: Irgendwann beginnen die Kniegelenke zu schmerzen, irgendwann geht es darum, das abgenützte Gelenk durch ein künstliches zu ersetzen. Und damit ist meist auch ein Rat verbunden: Mit Sportarten wie Tennis, Skilaufen und Bergwandern sollte man vorsichtig sein, besser gleich aufhören.

Doch diese weitläufig verbreitete Meinung relativieren Experten des Fachbereichs für Sportwissenschaften der Uni Salzburg nun gründlich. In einer interdisziplinären Studie konnten sie nachweisen, dass Skilaufen bei älteren Menschen mit künstlichem Kniegelenk durchwegs positive Effekte hat. „Es gab keinerlei negative Auswirkungen auf die Funktion der Gelenke, das persönliche Wohlbefinden, die Kondition und die Lebensfreude der Studienteilnehmer hat deutlich zugenommen“, sagt Erich Müller, Leiter des Fachbereichs für Sportwissenschaften.

Er hat sich des Themas angenommen, weil er beobachtet hat, dass aktive Menschen leiden, wenn sie ihre sportlichen Leidenschaften nicht mehr betreiben können wie bisher. „Viele fallen in ein psychisches und soziales Tief. Ihr Freundeskreis verändert sich, Übergewicht und depressive Verstimmungen sind die Folge“, so Müller. Zur Frage, welche gesundheitlichen Effekte alpiner Skilauf bei knieoperierten Personen hat, hat es zuvor keine größere Untersuchung gegeben.

Gemeinsam mit Forschungsgruppen in Italien, Dänemark, England und Österreich wurde die Studie „Alpinskilauf mit künstlichem Kniegelenk“ mit 31 Männern und Frauen durchgeführt. Die Knieoperation lag bei den Teilnehmern zwischen einem und fünf Jahren zurück. Die Hälfte der Personen – im Durchschnitt knapp über 70 Jahre alt – absolvierte über zwölf Wochen ein moderates Skitraining unter Betreuung eines Skilehrers.

Saubere Schwünge erlaubt

Verboten waren sehr steile Hänge und hohe Geschwindigkeiten. Es ging um saubere Carvingschwünge auf mittelschweren Pisten. Zwei bis dreimal pro Woche waren die Probanden unterwegs. Sie kamen pro Skitag auf durchschnittlich knapp 3400 Höhenmeter und etwas mehr als 33 Pistenkilometer. Die Kontrollgruppe ging nicht Skilaufen.

Gemessen wurden bei der breit angelegten Untersuchung viele unterschiedliche Parameter. Neben der Zahl der Fahrten, den Höhenmetern und der Herzfrequenz gab es auch einen Schmerzfragebogen und eine Muskelbiopsie am Beginn und am Ende der zwölfwöchigen Trainingsphase. Funktionelle Tests untersuchten die Veränderung der Belastung in den Beinen und das Zusammenspiel von operiertem und nicht operiertem Knie. Auch auf Veränderungen des Schmerzempfindens und der Psyche wurde geachtet.

Die wichtigsten Ergebnisse: Die Testpersonen haben in der Trainingszeit ihre körperliche Leistungsfähigkeit gesteigert. Sie haben mehr Kraft, mehr Muskelmasse, ihre Koordinationsfähigkeit, und ihr Balancegefühl verbesserten sich. Alles Dinge, die die Bewegungssicherheit im Alltag verbessern. Skilaufen ist – wie schon eine frühere Studie der Salzburger Sportwissenschafter gezeigt hat – ein ideales Herz-Kreislauf-Training. Es gab keinerlei Probleme bei der Funktion des Kniegelenks und auch keine Zunahme der Schmerzen.

Die Untersuchungen zeigten auch, dass Asymmetrien bei der Belastung zwischen dem operierten und dem nicht operierten Knie abnahmen. Je länger die Testpersonen regelmäßig Ski fahren gingen, desto sauberer und gleichmäßiger wurden die Schwünge auf beiden Beinen, berichtete Müller. Die Probanden gewannen nicht nur die Freude am Sport zurück, sondern fühlten sich auch insgesamt wieder wohler.

IN KÜRZE

Untersuchungen zum Alpinen Skilauf sind ein Schwerpunkt des Fachbereichs für Sportwissenschaften der Uni Salzburg. Unter anderem wurden in einem gemeinsam mit Atomic betriebenen Christian-Doppler-Labor biomechanische Untersuchungen zum Skilauf gemacht. Die Salzburger hatten mit ihren Untersuchungen zur Interaktion zwischen Schuh, Ski und Bindung auch wesentlichen Anteil bei der Entwicklung der modernen Bindungsplatte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2015)

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