Hirnzellen sagen das Verhalten anderer voraus

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Im Gehirn gibt es viele Spezialisten für beobachtetes Verhalten. Nun fanden sich auch Prognostiker.

Wir wissen, dass andere Menschen im Grund so denken und handeln wie wir, und für die Details dieses Wissens haben wir spezialisierte Hirnzellen. Das bemerkte man 1992 an Affen: Man wollte sehen, was im Gehirn vor sich geht, wenn sie nach Futter greifen – aber erst musste das Futter dort platziert werden, von den Forschern. Deren beobachtete Handbewegung aktivierte in den Affenhirnen Zellen, die auch für ihre eigenen entsprechenden Bewegungen zuständig sind, man nannte sie Spiegelneuronen. Später fanden sich andere Spezialisten, sie schauen etwa auf Fehler anderer oder darauf, wie sie auf Belohnung reagieren.

Aber sie alle sind auf beobachtetes Handeln angewiesen, viel lieber wüsste man noch, was der andere zu tun gedenkt. Will er einem wohl oder denkt er nur an sich? Das versucht ein Klassiker der Spieltheorie zu klären, das Gefangenendilemma. Da werden zwei Personen eines gemeinsam begangenen Verbrechens verdächtigt und müssen entscheiden, ob sie kooperieren oder auf Eigennutz setzen: Schweigen beide, bekommt jeder zwei Jahre Haft; wenn einer verrät und der andere schweigt, bekommt der Verräter ein Jahr, der Schweiger sechs; verraten beide einander, bekommt jeder vier.

Nur im Sozialen aktiv

Dis Regeln sind schon für Menschen schwer nachvollziehbar – im gemeinsamen Interesse liegt, dass beide schweigen, mit dem individuellen Interesse ist das anders –, aber Rhesusaffen im Labor von Keren Haroush (Harvard) verstanden sie auch. Und sie verstanden, worum es geht: Man muss die kommende Aktion des anderen optimal abschätzen. Eben dafür wurden ganz besondere Hirnzellen aktiv, andere als die, die das eigene künftige Verhalten steuern. Sie sitzen im anterioren cingulären Cortex (ACC), ihre Prognosekraft ist hoch, aber sie werden nur im sozialen Zusammenhang aktiv – und bleiben still, wenn man die Affen gegen Computer spielen lässt (Cell, 26. 2.). Das ist wohl nicht nur bei Affen so: Bei Autismus und anderem gestörten Sozialverhalten spielen Störungen im ACC mit, und wenn er ganz zerstört ist, schwindet das Interesse an Menschen, das an unbelebten Gegenständen steigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2015)

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