Viele Viren sind der Bienen Tod

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Bienensterben. Die hohen Verluste, die Österreichs Imker derzeit verzeichnen, haben Wissenschaftler der Vet-Med-Uni Wien auf den Plan gerufen. Sie sehen in der Verbindung bestimmter Viren mit der Varroamilbe eine der Hauptursachen.

Die Verlustmeldungen sind alarmierend. In Österreich, im Speziellen in Ostösterreich, werden im Bereich der Bienenvölker die größten Winterverluste seit Jahren verzeichnet. Dabei haben die Imker auf ihren Bienenständen die Varroa-Behandlungen wie in den Vorjahren durchgeführt. Wo liegen die Gründe für diese dramatischen Bienenverluste? Die Zunahme der Varroamilbe wird da ins Treffen geführt oder auch die Langzeitwirkung verschiedener Pestizide, die in der industriellen Landwirtschaft zur Schädlingsbekämpfung ausgebracht werden.

Bienenforscher Benjamin Lamp hat bei der diesjährigen Tagung der Erwerbsimker eine neue und nunmehr durch Forschungserkenntnisse belegte Erklärung parat: Die Varroamilbe im Zusammenspiel mit Virusinfektionen ist die Ursache. Warum? Weil der vorangegangene Winter 2013/14 zu warm war.

Bienenkönigin brütet durch

Lamp (geboren 1978 in Rheinland-Pfalz) kam Ende 2012 von der deutschen Justus-Liebig-Universität Gießen zur Vet-Med-Uni Wien ins Institut für Virologie (Vorstand Tillmann Rümenapf), weil erstens „die Arbeits- und Laborbedingungen in Wien ausgezeichnet sind“ und zweitens dort die Bienenforschung als Arbeitsgebiet gefördert wird. Lamp geht von der Hypothese aus, dass im vorangegangenen Winter 2013/14 im Bienenstock die Königin ihre Bruttätigkeit nicht – wie in jedem „normal“ kalten Winter – beendet, sondern vielmehr durchgebrütet hat.

Das hat zur Folge, dass sich die Viren in den Völkern um ein Vielfaches vermehrt haben, wobei die Varroamilbe das ideale Übertragungs- und Verbreitungsobjekt für die Viren ist. Das trifft in erster Linie auf Ost- und Südösterreich mit seinen wärmeren Temperaturwerten zu und nicht für die höheren Lagen. Die Folgen sind nun, viele Monate später, eingetreten.

Übrigens: Auch vor drei Monaten, im Dezember 2014, hat Lamp bei dem an der Vet-Med-Uni stehenden Bienenstock Nachschau gehalten und eine etwa handgroße frische Brutfläche gesehen. Also hat die Königin auch in diesem (wiederum zu warmen) Winter wieder durchgebrütet. Die Bruttätigkeit sollte aber erst nach einer Unterbrechnung von zwei- bis zweieinhalb Monaten Mitte/Ende Februar anlaufen.

Viren befinden sich in jedem Bienenvolk, und bei der Honigbiene sind mindestens 20 verschiedene Virusarten bekannt. Insekten bilden keine spezifische Immunantwort, die Virusresistenz ist vielmehr angeboren und in den Genen angelegt. Die Biene kann im Normalfall Krankheitserreger so weit unterdrücken, dass ihr eigener Fortbestand gesichert ist.

Der Vet-Med-Forscher legt den Fokus auf zwei besonders schlimme Viruserkrankungen, das Flügeldeformationsvirus und das Virus der akuten Bienenlähme, die beide den Bienenvölkern zusetzen. „Die Biene ist eigentlich an diese Viren angepasst“, sagt Lamp, „wenn aber die Varroa dazukommt, ist das natürliche Gleichgewicht gestört.“

Ein Käfig für die Königin?

Im Bienenvolk ist die Brut das Hauptreservoir für die Virenlast – und übrigens auch für die Varroamilbe. Bei Völkern, die lange brutfrei sind, ist das Überleben daher besser abgesichert. Eine Variante in der Virenbekämpfung wäre das Ausschneiden einer im Winter angelegten Brutfläche. Allerdings wird dadurch der natürliche Aufbau im Bienenvolk und die im Bienenstock gebildete Wintertraube, die die Bienen zur Aufrechterhaltung der erforderlichen Temperatur bilden, gestört bzw. zerstört. Auch das Käfigen der Königin wird erwogen. Wenn die Königin für die Dauer einer Brutperiode, also etwa drei Wochen, mit betreuenden Arbeiterinnen in einem Käfig gehalten wird, kann sie nicht über die Waben laufen und Eier legen.

Im Sicherheitslabor der Wiener Vet-Med werden nun Bienenzellen in In-vitro-Kulturen gezüchtet und gezielt mit Viren infiziert. Dabei soll geklärt werden, welches die „Zielzellen“ in den Bienen sind, die von den Viren angegriffen werden, in welchen Stadien der Larvenentwicklung dieser Angriff erfolgt, wie die Infektion in der Milbe vor sich geht und warum die Varroamilbe die Vermehrung der Viren steigert. In der Brut befallen die Viren die Zellen, die in der Folge zerplatzen und absterben. Oder es schlüpfen Bienen, die nur noch wenig Hämolymphe – eine blutähnliche Substanz der Biene – und einen kleineren Hinterleib besitzen.

Dass sich Viren in der Varroamilbe vermehren, gilt als gesichert. Die Varroabehandlung, die jeder Imker im Herbst vornimmt, dezimiert den Milbenbefall. Kann ein Bienenvolk mit 100 bis 200 Varroamilben einen strengen Winter überleben, so muss nun die Varroazahl bei einem Durchbrüten der Königin auf einen Bruchteil gemindert werden. Die vom Imker vorzunehmende Behandlung gegen die Milbe muss also noch rigoroser erfolgen.

Gefahr von weiteren Schäden

Zur Varoose, zu Viren und Klimawandel kommen noch weitere lebensbedrohende Schäden für die Bienenvölker. Dazu zählen die in der Landwirtschaft verwendeten Neonicotinoide (deren Ausbringung derzeit für drei Jahre ausgesetzt ist), Monokulturen, die zu einer einseitigen Nektar- und Pollenernährung führen, und andere neu eingeschleppte Krankheitserreger und Parasiten. Was also sollten von den Völkerverlusten betroffene Imker tun?

Hygiene, so Lamps Antwort: Hygiene bei den Bienenständen und den Imkergeräten. Beachtung, dass beim Jungfernflug der Königin nicht Drohnen aus virenverseuchten Völkern verpaart werden. Zweijähriger Austausch der Königin, da ältere Königinnen mit höherer Wahrscheinlichkeit an Virusinfektionen erkranken und dann infizierte Eier legen. Und auch Hygiene bei der Zufütterung während einer Schlechtwetterperiode sowie im Herbst. Da sollte kein Fremdhonig, der ja auch Viren enthalten kann, sondern besser Zuckerwasser verwendet werden.

Auf jeden Fall müssen Imker und Bienenforscher etwas tun. Die Imkerei braucht neue Konzepte, um die stets wiederkehrenden Völkerverluste zu bekämpfen. Benjamin Lamp ist hier, was die westliche Honigbiene betrifft, vielleicht etwas zu pessimistisch: „Greift der Mensch jetzt nicht ein, gibt es in einigen Jahren keine wilden Honigbienen mehr“, sagt er in Bezug auf Bienen, die sich etwa in Bäumen eingenistet haben. In der vom Menschen betreuten Bienenhaltung kann der Imker die Verluste infolge der hohen Reproduktionsrate der Bienen – nämlich in den Monaten Mai und Juni – mit einigem Geschick ausgleichen. Womit die Honigbiene wieder ein Stück vom ursprünglichen Wildtier abrückt und sich hin zum Kulturtier entwickelt.

LEXIKON

Die Varroamilbe kommt aus Asien, in Österreich ist sie seit 1983 vorhanden. Die 1,1 Millimeter lange Milbe entwickelt sich in der verdeckelten Brut. Sie bewirkt eine Verkrüppelung der Biene und eine Schädigung des Immunsystems.

Bienensterben. Die Viren (Krankheitserreger) verbinden sich mit der Varroamilbe (Parasit der Biene). Die Folge ist eine explosionsartige Vermehrung der Viren und das Absterben der Bienenvölker.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2015)

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