Kunsthistorisches Museum: Ins alte Ägypten, Stück für Stück

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Die kleine Sonderausstellung „Ein ägyptisches Puzzle“ zeigt einen 3000 Jahre alten Sargdeckel in neuer Pracht – und wie er mühsam renoviert wurde.

Fast 3000 Jahre lang lag der Sarg der Ägypterin But-har-chonsu unbehelligt in einem unterirdischen Korridor in der Nähe des um circa ein halbes Jahrtausend älteren Tempels der Hatschepsut in Deir el-Bahari. Dort in Theben-West in Oberägypten, an einer unauffälligen Stelle namens Bab el Gasus (arabisch für „Tor der Priester“) am Rande des Tempels, waren von Priestern viele Dutzende Särge vor Grabräubern in Sicherheit gebracht worden. Es herrschten unsichere Verhältnisse in dieser Dritten Zwischenzeit, in der späten 21. und frühen 22. Dynastie, im Abendrot Ägyptens.

Der diskrete Transfer der Toten war lang erfolgreich. Doch 1891 fanden Archäologen den Schacht zu dieser Begräbnisstätte. Ein Dorfbewohner hatte den Direktor der Antikenverwaltung darauf aufmerksam gemacht, dass ein Eingang zu einem alten Felsgrab gefunden worden war. Der in Folge geborgene Fund war so reichhaltig, dass die ägyptische Regierung einige der 153 Särge an große Museen in aller Welt verschenkte.

Ein ägyptisches Geschenk an Wien

Unter den Empfängern war zwei Jahre später auch das Kunsthistorische Museum in Wien, das Dutzende Figuren, andere Grabbeigaben und auch drei Sarg-Ensembles erhielt. Beim Verpacken in Ägypten war es jedoch zu Verwechslungen gekommen. Nicht alles passte zusammen. Der Innensarg der But-har-chonsu, Priesterin des Amun und Sängerin, war in Genf gelandet, der Deckel in Wien.

Er war bereits so lädiert, dass er wieder für 120 Jahre untertauchte – in einem Depot. Das Inventar von 1893 erwähnt die Beschädigungen, vor allem den abgebrochenen Fußteil. „Das Objekt ist sehr brüchig“, heißt es über den „Deckel eines mumienförmigen Sarges“ einer „Hausherrin und Musikantin“. Gut erhalten sei „namentlich das Gesicht mit Ausnahme des Nasenrückens“.

Per Video beim Restaurieren dabei

Nun aber hat das KHM den Sargdeckel erstmals ausgestellt, nach einer gründlichen Renovierung, die 2011 als Diplomarbeit von Sylvia Karner am Institut für Konservierung-Restaurierung der Akademie der bildenden Künste Wien unter der Leitung von Wolfgang Baatz begonnen hat und in Seminararbeiten fortgesetzt wurde. Nach einer komplexen Untersuchungen gelang es bis 2014, falsch zusammengesetzte Teile wieder richtig zusammenzufügen, die Schäden einer früheren, offenbar abgebrochenen Restaurierung zu beseitigen, die vielen Fragmente passend zu machen, besonders auch Versetzungen, die zuvor beim Kleben von Bruchstücken mit Weißleim passiert waren. Die angegriffene Holzstruktur wurde ausgebessert, statt Dübeln aus Buchenholz wurden Verbundwerkstoffe aus Karbonfasern und Epoxidharz verwendet, man entwickelte dafür ein raffiniertes neues System.

Der Sargdeckel der Sängerin nimmt nun gut beleuchtet und durch Spiegel praktisch rundum sichtbar die Mitte eines Saales in der Ägyptisch-Orientalischen Sammlung des Museums ein. In einer kleinen Sonderausstellung wird gezeigt, wie die Restaurierung erfolgte – per Videoscreens, auch virtuell in einem digitalisierten Drei-D-Modell, mit Tafeln, einer Landkarte und zwei Schaukästen, die diese Arbeit illustrieren. So nah kommt man dem Handwerk solcher Spezialisten selten – die Dokumentation der Rettung des Exponats und die nebenbei einfließende, drei Jahrtausende alte Geschichte sind exemplarisch. Der immense Aufwand wird evident. Danach sieht man das Museum vielleicht mit etwas anderem Blick.

Bis 26. Oktober 2015 ist „Ein ägyptisches Puzzle. Die Restaurierung des Sargdeckels der But-har-chonsu“ im Kunsthistorischen Museum zu sehen. Der dazugehörige bebilderte Katalog hat 64 Seiten und kostet 9,95 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2015)

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