Rot, ein verblichenes Sexualsignal

(c) EPA (Lisa Maire)
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Weibchen vieler anderer Primaten signalisieren Empfängnisbereitschaft mit geröteter Haut. Bei uns ist der Effekt zwar auch noch da, aber nicht mehr wahrnehmbar.

Die Farbe Rot kann viel signalisieren, Wut etwa oder auch Macht, Gesundheit oder auch Attraktion, es hängt immer am Kontext und am Geschlecht: Männer signalisieren mit roten Gesichtern und/oder roter Kleidung anderen Männern Kampfbereitschaft – Kampfsportler in roten Dressen haben bei gleicher Qualifikation höhere Chancen als ihre Gegner in blauen –, es ist auch in der Natur so: Wenn man Starenmännchen rote Bänder um die Beine wickelt, weichen Konkurrenten.

Und bei Zebrafinken haben die Männchen ganz von allein rote Streifen an den Beinen, da sehen auch die Weibchen gut hin: Das Männchen mit dem strahlendsten Rot wird gewählt. Umgekehrt signalisieren in der Natur auch Weibchen etwas mit Rot: Bei vielen Primatinnen färben sich Geschlechtsteile und Brust rötlich, wenn sie empfängnisbereit sind, bei Schimpansinnen kommt noch ein Anschwellen der Geschlechtsteile hinzu. Letzteres entwickelte sich bei unseren engsten Verwandten erst, nachdem unsere Ahnen sich von ihnen getrennt haben. Aber wie ist es mit der Farbe Rot, wirkt die auch bei uns? Sie signalisiert geschlechtsübergreifend Gesundheit – Blässe kommt nur periodisch in Mode –, sie zeigt auch auf den ersten Blick das Geschlecht: Der Kontrast zwischen der eher blassen Haut um die Augen und den Lippen ist bei Frauen stärker.

Verhalten, Stimme – Duft auch?

Aber lockt diese Farbe auch bei uns mit Empfängnisbereitschaft? Kurz vor dem Eisprung fühlen Frauen sich zu „männlichen“ Männern hingezogen, sie flirten eher, verändern den Ton ihrer Stimme, für Männer klingt diese dann attraktiver. Vielleicht spielen auch Duftstoffe mit – es ist umstritten, weil Menschen das für Lock- oder Warndüfte (Pheromone) zuständige Sensorium, das nasovomerale Organ, stillgelegt haben –, und irgendetwas im Gesicht spielt mit, der gesamte Ausdruck, auch Details wie die Pupillen. Die Farbe endlich auch? Robert Burris (Newcastle) hat die Gesichter von 30 Studentinnen einen Monat lang jeden Tag fotografiert und dabei die Linse vor allem auf ein Detail gehalten, eine Wange: Die rötete sich vor dem Eisprung stärker, das zeigte eine technische Auswertung der Bilder. Aber diese Technik unterschied viel feiner als Menschenaugen können: Es gibt eine Veränderung, aber ein Signal ist sie nicht, sie kann nicht wahrgenommen werden (PLoS ONE, 30. 6.).

Wie das? Schon vor Jahren spekulierte Bernard Campbell, dass bei Menschenfrauen „das physiologische Signalisieren durch ein freiwilliges abgelöst“ wurde („Human Evolution“, 1974). Dabei kommt die Farbe Rot umso stärker ins Spiel, bei Lippenstift und Nagellack, auch in der Kleidung. Andere Frauen haben ein Gespür dafür und weichen auf Partys ihren Begleitern nicht von der Seite, wenn eine potenzielle Konkurrentin in Rot auftaucht, Psychologe Andrew Elliot (Rochester) hat es im Vorjahr gezeigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2015)

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