Gehirnblutungen gezielter erkennen

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Unfall. Ältere Menschen werden nach einem Sturz auf den Kopf meist in Unfallambulanzen aufgenommen. Wiener Ärzten fanden nun neuronale Marker im Blut, die eine Gehirnblutung ausschließen können.

Ältere Menschen sind oft ein bisschen wackelig auf den Beinen. Nicht selten ist die Folge ein Sturz und dabei ein Schlag auf den Kopf. Ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma ist die Folge. Bei der Einlieferung in eine Ambulanz wurden diese Patienten bisher nach den internationalen Richtlinien behandelt. Diese sehen vor, dass bei Patienten über 65 Jahren sowie Menschen, die blutverdünnende Medikamente einnehmen, routinemäßig eine Computertomografie durchzuführen ist, um eine Gehirnblutung auszuschließen.

Durch die seit Jahren steigende Anzahl an Fällen wird diese Verfahrensweise weltweit immer mehr zum Problem: Denn die stationäre Aufnahme der älteren Patienten für mindestens einen Tag sowie die Tomografie verursachen enorme Kosten. Ausgaben, die vermeidbar wären, denn tatsächlich kommt eine Gehirnblutung bei leichten Traumata nur relativ selten vor. Ärzte zweier großer Unfallspitäler in Wien haben nun eine alternative Diagnosemethode für Gehirnblutungen untersucht. In der kürzlich im „Journal of Neurosurgery“ veröffentlichten Studie von Heinrich Thaler und Jochen Schmidsfeld wurden am AUVA Unfallkrankenhaus Wien Meidling sowie dem Wiener SMZ-Ost über dreieinhalb Jahre mehr als 780 ältere Patienten kurz nach einem Sturz untersucht.

Die Mediziner machten einerseits eine Computertomografie des Kopfes. Gleichzeitig bestimmten sie den Wert des neuronalen Proteins S100B. Das Eiweiß wird in sogenannten Astrozyten gebildet, und gelangt bei einer Gehirnverletzung ins Blut. Ein stark erhöhter S100B-Wert kann also Hinweis auf eine Gehirnblutung sein, während niedrige Werte gegen eine Gehirnverletzung sprechen.

Schonend für die Patienten

Tatsächlich ergab die Studie, dass eine Blutung praktisch ausgeschlossen werden kann, wenn der Wert unterhalb eines bestimmten Schwellenwerts liegt. Mehr als 30 Prozent aller getesteten Personen fielen in diese Gruppe. „Bei diesen Patienten könnte durch den Test ein CT und eine unnötige und anstrengende stationäre Aufnahme vermieden werden“, erklärt Heinrich Thaler. Das würde die Kosten enorm verringern und hätte direkte Vorteile für die Patienten: „Computertomografien bedeuten eine hohe Belastung der Patienten durch Röntgenstrahlung. Stürzen sie öfter, dann kann sich die Strahlenmenge gefährlich summieren“, so Thaler. Die Röntgenbestrahlung erhöht das Risiko, an Krebs zu erkranken, kann aber zum Beispiel auch grauen Star, also eine Trübung der Augenlinse, negativ beeinflussen.

Erstaunt waren die Ärzte auch, wie gut die Menge des nachgewiesenen Proteins im Blut mit der allgemeinen Schwere des Traumas korrelierte. Stärker beeinträchtigte Patienten hatten auch höhere S100B-Werte im Blut, was die Vorhersagekraft des Tests weiter bestätigt. „Wir wollen die Ergebnisse möglichst bald umsetzen“, meint Thaler. „Der standardmäßige Test kann gebrechlichen Menschen einen Spitalsaufenthalt ersparen, aber auch die Ressourcen im Unfallkrankenhaus möglichst für die wirklich schwer verletzten Patienten frei halten.“

Die Studie wurde nun mit dem Wissenschaftspreis der Österreichischen Gesellschaft für Unfallchirurgie ausgezeichnet und soll in naher Zukunft in die internationalen Richtlinien zur Behandlung von Schädel-Hirn-Trauma-Patienten aufgenommen werden.

LEXIKON

Computertomografie (CT) ist ein computergestütztes Röntgenverfahren, bei dem – im Unterschied zum klassischen Röntgen – Schnittbilder durch den Körper beziehungsweise einen bestimmten Körperteil angefertigt werden. Die Röntgenröhre kreist um den Patienten, und der Computer errechnet aus den einzelnen Aufnahmen ein Bild, das schließlich in 3-D zusammengesetzt wird. Dadurch können Strukturen aus dem Körperinneren überlagerungsfrei dargestellt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2015)

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