Indigenen im Regenwald zu ihrem Recht verhelfen

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Wiener Ökonomen untersuchen die politischen und ökonomischen Hindernisse für die Landnutzung durch die indigene Bevölkerung in Argentiniens Provinz Salta in der Region Gran Chaco.

„Im Gran Chaco schreitet die Rodung des Regenwaldes besonders schnell fort“, sagt Graziano Ceddia, der aus Apulien stammt. „Die indigene Bevölkerung ist davon betroffen, die dadurch ihre Lebensgrundlage verliert.“ Der Ökonom und Nachhaltigkeitsforscher der Modul University Vienna untersucht mit Kollegen der britischen Universität Reading, welche Interessen eine nachhaltige Politik zunichte machen und welche die weitere Abholzung verhindern. Zusammen mit zwei Kollegen erhielt Ceddia dafür zwei Millionen Euro für fünf Jahre aus dem Consolidator Grant des Europäischen Forschungsrates.

Anthropologen erforschen die prekärer werdende Situation der indigenen Völker in Argentinien seit Langem. Am Institut für interdisziplinäre Studien der Uni Klagenfurt wird untersucht, wie die Partizipation der Menschen an regionalen Entscheidungsprozessen verbessert werden kann. Ceddia widmete sich bisher Phänomenen auf nationaler und internationaler Ebene. Eine einzelne Region ist für ihn ein neuer Zugang. „Die Daten sollen zeigen, wodurch verhindert wird, dass Indigene in Argentinien ihr verfassungsmäßig garantiertes Recht auf Landbesitz geltend machen können“, erklärt Ceddia. Das Team vergleicht vier Gemeinden, die unterschiedlich mit Abholzung und der Anerkennung von Landnutzungsrechten der indigenen Bevölkerung umgehen.

Streitigkeiten mit Konzernen

Seit Jahren befinden sich NGOs und Angehörige der Ureinwohner in Rechtsstreitigkeiten mit Grundbesitzern und multinationalen Konzernen. Die argentinische Verfassung garantiert einen Rechtsanspruch auf das Land, auf dem Indigene lange leben. Doch kurz bevor die Verfassung in Kraft trat, wurde ehemals in Besitz der Gemeinschaft befindliches Land teilweise privatisiert. Es gehört nun Großgrundbesitzern und multinationalen Konzernen. Diese treiben die Rodung voran, um Viehzucht und Sojaanbau auszuweiten. „Aus ihrer Sicht dient der Wald dem wirtschaftlichen Erfolg, der aus höheren Erlösen für landwirtschaftliche Produkte besteht. Die Indigenen dagegen, die in eigenen Gemeinschaften von 500 bis 1500 Mitgliedern leben, sehen den Wert des Waldes darin, dass er ihre Lebensweise im Einklang mit der Natur ermöglicht“, so Ceddia. „Es geht darum, im Interesse des Naturschutzes eine gemeinsame Sichtweise für beide zu schaffen.“

Gegenwärtig dokumentieren ungelöste Fälle vor Gericht die einzelnen Konflikte und die ungleichen Machtverhältnisse. „Noch kennen wir das Ausmaß der Korruption nicht. Wir wissen nicht, welche Strukturen das Verhalten der Akteure beeinflusst“, sagt Ceddia. Das Forschungsprojekt wird die unterschiedlichen Interessenlagen transparent machen. Es soll den Akteuren ermöglichen, in Dialog zu treten und Bewusstsein für Nachhaltigkeit zu fördern.

Die größte Schwierigkeit des Projekts ist es, Zugang zu den verschiedenen Akteuren zu bekommen. Daher werden Forscher, die schon lange vor Ort arbeiten, als Türöffner zu indigenen Gruppen tätig. Die Zusammenarbeit mit den kleineren NGOs dürfte kein Problem sein. Doch auch lokale und regionale politische Akteure sowie Grundbesitzer und Unternehmen müssen für die Kooperation gewonnen werden.

LEXIKON

Online-Tool: Parallel zu ihrem Forschungsengagement hat das Institut für Neue Medientechnologie der Modul University Vienna auch eine Web-Technologie zur Analyse von Umweltkommunikation entwickelt. Dabei werden umweltrelevante Web-Inhalte und Meinungstrends aus sozialen Netzwerken ausgewertet und visualisiert. Über die Webseite des UN Environment-Programms ist das Tool abrufbar, mit dessen Hilfe sich live Entwicklungen zu Luft, Wasser, Biodiversität und Klimawandel beobachten lassen:

http://uneplive.unep.org

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2016)

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