Wenn der Kran das Penthouse bringt

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Um den Wohnraum in Städten zu vergrößern, könnten künftig auch ältere Gebäude aufgestockt werden. Und zwar ökologisch, mit nachwachsenden Materialien wie Holz.

Auch in Österreich ziehen immer mehr Menschen in die Städte. Wien soll bis zum Jahr 2029 (erstmals nach 1910, als es als Kaiserstadt Zentrum der Monarchie war) zwei Millionen Einwohner zählen. Stimmen die Prognosen, soll es bis zum Jahr 2034 noch einmal um die aktuelle Größe von Graz wachsen, das sich selbst rasant entwickelt. Die zweitgrößte Stadt Österreichs steuert dann bereits auf die 300.000Einwohner zu.

Doch wohin mit all den Menschen? Einerseits breiten sich die Städte immer mehr ins Umland aus, der sogenannte Speckgürtel legt weiter zu. „In den Innenstädten Wohnraum zu schaffen, wird immer schwieriger“, sagt Karl Höfler, Leiter des Bereichs Bauen und Sanieren im Gleisdorfer Institut für Nachhaltige Technologien (AEE Intec). Die besten Plätze seien längst vergeben, die Häuser müssen also andererseits in die Höhe wachsen.

Eine Box für das Dach

Wie das bei bestehenden Wohnbauten aus den 1950er- bis 1980er-Jahren gelingen kann, die oft in „infrastrukturell bestens ausgestatteten städtischen Lagen“ stehen, haben die Wissenschaftler nun zwei Jahre lang untersucht. Gestern präsentierten sie gemeinsam mit Firmenpartnern im steirischen Großwilfersdorf das erste Modell einer Roofbox: einer Dachbox für bestehende Bauten.

„Die Statik älterer Gebäude ist meist ausgereizt, außerdem muss ein Ausbau schnell gehen, damit die Bewohner möglichst wenig gestört werden“, schildert Karl Höfler, Leiter des Bereichs Bauen und Sanieren bei AEE Intec, die doppelte Herausforderung. Die Antwort der Forscher sind vorgefertigte, gedämmte Holzboxen mit großen Glasfronten. Ein Tieflader bringt sie, ein Kran hievt sie auf das Dach.

Diese Roofboxen sind leicht und enthalten schlüsselfertige Nasszellen: fertig verflieste Bäder mit Dusche und WC, auch die Kücheninstallation wird schon in der Fabrik eingebaut. Das Prinzip funktioniert immer gleich: Für die weiteren Wohn- und Schlafräume lässt man einfach Abstände zwischen den Nasszellenmodulen – kleinere oder größere, je nach gewünschter Quadratmeterzahl des neuen Holzpenthouse und Portemonnaie des neuen Besitzers.

Auch Terrassen lassen sich aussparen, oder Laubengänge, die zu den Wohnungen führen. Für bestehende Wohnungen können von den Roofboxen aus auch Balkone abgehängt werden. So entsteht über den Dächern einer Stadt in wenigen Tagen neuer Wohnraum.

Nerven des Gebäudes zeigen

Freilich bringt das den Wohnbaugenossenschaften Geld, das aber wiederum in die – teureren – nachhaltigen Sanierungen der in die Jahre gekommenen Gebäude fließen soll. Denn der Dachaufbau lässt sich gut mit einer thermischen Sanierung kombinieren; damit soll am Ende selbst ein alter Bau wie neu wirken.

Die Leitungen für Heizung und Abwasser werden nicht unter der Fassade versteckt, die „Nerven“ des Gebäudes präsentieren sich – durchaus auch in bunten Farben – an der Oberfläche. Das war zwar der Wunsch des beteiligten Architekten, hat aber auch den Vorteil, dass sie jederzeit gewartet oder repariert werden können. Überhaupt gehe der Trend immer mehr dorthin, Versorgungsleitungen von öffentlichen Flächen aus zugänglich zu machen, so Höfler.

Als Bauphysiker stieß er bei dem Holzpenthouse auf vertraute Fragen: „Wir haben hier dieselben Anforderungen wie bei jedem Holzhaus: Es muss luftdicht sein, zugleich müssen Wärmebrücken, durch die Schimmel entstehen kann, vermieden werden.“ Das gelte es vor allem zu prüfen, wenn man zwei Module verbindet.

Und wann kommt das Penthouse nach dem Fertigteilprinzip nun auf den Markt? Möglichst schnell, geht es nach den beteiligten Firmenpartnern. Das Modell soll potenziellen Kunden jedenfalls helfen, die Idee zu verstehen. Dadurch könne man die Innovation nun buchstäblich angreifen und so besser begreifen, worum es gehe, sagt Höfler.

Die Salzburger Wohnbaugenossenschaft plant jedenfalls, 2017 die erste Roofbox zu realisieren. Und Höfler plant ein Folgeprojekt, in dem das System weiter verfeinert werden soll.

LEXIKON

Die „Roofbox“ wurde in zweijähriger Forschungsarbeit entwickelt, um den Wohnraum von bestehenden Mehrfamilienhäusern zu erweitern. Das Projekt wurde vom Klima- und Energiefonds des Lebens- und des Technologieministeriums gefördert. Die Projektleitung lag beim Institut für Nachhaltige Technologien (AEE Intec), einem Mitglied des Forschungsnetzwerks Austrian Cooperative Research (ACR).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2016)

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