2017 soll die Lyra von Ur wieder brüllen

So sah das damals älteste Saiteninstrument der Welt aus: ein Zeugnis stupender sumerischer Kunst.
So sah das damals älteste Saiteninstrument der Welt aus: ein Zeugnis stupender sumerischer Kunst. (c) Archiv
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Über 4500 Jahre alt war die stierköpfige Goldene Lyra, die im Irak-Krieg zerstört wurde. Ein Tiroler Harfenbauer baut sie mit Helfern nach: Er will ein Zeichen setzen.

Älter als alle Saiteninstrumente, die der Menschheit erhalten geblieben sind, waren die vier Harfen, die Archäologen 1929 in Ur im Südirak unter der Erde entdeckten. Man fand sie auf dem sumerischen Königsfriedhof der Stadt, von dessen vielen Toten nur eine einzige namentlich bekannt ist: Königin Puabi. Ihr Grab beherbergte die bei Weitem schönste Harfe, sie wurde unter dem Namen „Goldene Lyra von Ur“ legendär und zum viel bestaunten Schaustück im Irakischen Nationalmuseum. Bis 2003.

Nicht erst, als er die Bilder vom geplünderten Museum sah, von der zerstörten Harfe, hat der in Schwaz bei Innsbruck lebende Harfenbauer Norbert Maier beschlossen, die Goldene Lyra von Ur nachzubauen – und dafür nun auch Helfer gefunden. Lange habe ihn die Idee, die älteste Harfe der Welt nachzubauen, umgetrieben, erzählt er. Zunächst war es einfach Bewunderung für das Instrument und eine frühe Zivilisation, dann kam die politische Empörung dazu, der Wunsch, ein Zeichen zu setzen. „Wie die Amerikaner den ersten Irak-Krieg angefangen haben, hab ich mich innerlich so aufgeregt, dass ich mir dachte, so, jetzt mach' ich das endlich. Dann hab ich mich langsam vorbereitet – und 2003 war plötzlich mein Modell weg!“

Sumerer werkten jahrelang daran

Ein Geschenk an das irakische Volk soll die Lyra werden, Mitte 2017 wollen Maier und seine Helfer fertig sein. Mehrere Jahre haben die Sumerer wohl seinerzeit an dem Instrument gearbeitet. Über 3000 Steinchen haben sie für die Mosaike verwendet, Eisen für die Werkzeuge hatten sie nicht, „nur Kupfer, Bitumen und Brösel aus Granit“, erzählt Maier. „Ich wollte ursprünglich genauso arbeiten wie die Handwerker von damals, aber ich wusste bald, da werde ich nie fertig.“ Das Ziel blieb dasselbe: eine Harfe, die aussieht wie das Original und – soweit rekonstruierbar – aus denselben Materialien gearbeitet ist.

Zu denen gehört auch ein gutes Kilo Feingold. Dick damit überzogen war der Stierkopf, der viel mehr war als eine Verzierung. Er steht für die wichtige sumerische Göttin Inanna, die nicht nur Göttin der Liebe, sondern auch sehr kriegslustig war. „Die Handwerker haben nicht ein Musikinstrument gebaut und mit einem Stierkopf verziert, sie haben einen klingenden Stier, ein religiöses Ding geschaffen“, sagt Norbert Maier. „Es sollte auch wie ein Stier klingen, tief, dunkel, warm, es hat gerade die Saiten, die für den rituellen Zweck nötig waren.“ Sehr wenige sind das, verglichen mit einer heutigen Harfe, so viel weiß man – aber nicht die exakte Anzahl. Bilder aus der Zeit zeigen zwischen acht und elf – für Letzteres hat sich Maier entschieden. „Die Musik brachte man ja mit den Gestirnen in Verbindung, und damals gab es elf Tierkreisbilder“, das Zeichen der Waage kam erst später dazu.

„Perlmutt ist sehr schwer aufzutreiben“

Auch anderes lässt sich mit den erhaltenen Fotos und historischem Wissen nur als wahrscheinlich rekonstruieren. „Die blauen Mosaiksteinchen waren Lapislazuli, das haben wir zum Großteil aus Afghanistan, das Weiße war Perlmutt – leider sehr schwer aufzutreiben. Bei den roten Steinchen sind wir uns nicht ganz sicher.“ Unsicher ist auch, wie die Goldene Lyra gestimmt war. Musikwissenschaftler haben verschiedene Vermutungen. „Ich muss mich für eine Variante entscheiden“, sagt Maier – „zumindest kann mir niemand beweisen, dass ich's falsch gemacht habe.“

Bevor er die Saiten aufziehen und die Harfe auf Konzerten zu hören sein kann, muss sie fertig sein. Steinschneider in München arbeiten derzeit an den Mosaiken; obwohl alle Beteiligten aus Idealismus mitwirken, braucht es für das Material noch Geld, und damit Sponsoren. „Ein gutes Kilo Feingold – das sind schon an die 35.000 Euro“, meint Norbert Maier. Ein Viertel Kilo haben sie bereits. Auch die Muscheln aus dem Indischen Ozean sind schwer zu kriegen.

Dass es nicht leicht werden würde, wusste Maier ohnehin. Aber abgesehen von der Leidenschaft des Instrumentenbauers für ein Meisterstück der Menschheit: Auch als Geschenk an die Iraker, als Zeichen kultureller Verbundenheit ist ihm die neue Lyra wichtig. „Man hört nur noch von Gewalt und Zerstörung in dieser Region und vergisst ganz, dass sie auch eine Wiege unserer Kultur ist.“

GELD FÜR DIE GOLDHARFE

Dreiviertel Kilo Gold und schwer aufzutreibende Muscheln aus dem Indischen Ozean – das kostet, auch wenn die Arbeit von Idealisten gemacht wird. Harfenbauer Norbert Maier und sein Team suchen noch nach Sponsoren beziehungsweise Spendern (info@elvenkings-harp.at). Die fertige Lyra soll auch auf Konzerten zu hören sein – wie das Instrument genau gestimmt war, darüber gibt es bisher freilich nur Vermutungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2016)

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