Alpakas sind nicht ganz harmlos

HUNGARY ANIMALS ALPACA
HUNGARY ANIMALS ALPACA(c) EPA (Ferenc Fuezesi)
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Veterinärmedizin.Können die populären Neuweltkamele Alpaka und Lama heimische Rinder oder Schafe mit Krankheiten infizieren oder Parasiten übertragen? Die erste Studie liegt nun vor.

Sie stammen aus Südamerika, sind aber dennoch keine Exoten. Lamas und Alpakas sind Neuweltkamele, kleine Verwandte der Altweltkamele Dromedar und Trampeltier. Sowohl in Eurasien als auch in Lateinamerika existieren noch wilde Kamelarten, aber die vier genannten wurden vor circa 5000 Jahren domestiziert. Sie sind also Haus- und Nutztiere.

Als solche grasen Lamas und Alpakas seit den 1990ern auch auf österreichischen Weiden – und werden insgesamt immer beliebter. Derzeit wird die Anzahl der Neuweltkamele in Österreich auf 4000 bis 6000 geschätzt. „Der Bestand der Lamas ist leicht rückläufig“, sagt Thomas Wittek von der Vet-Med-Uni Wien. „Die Zahl der Alpakas aber hat deutlich zugenommen.“ Gefragt sind Letztere wegen ihrer hochwertigen Wolle sowie ihres Einsatzes in der tiergestützten Therapie: Verhaltensauffällige Jugendliche etwa lernen dabei, mit den unaufdringlichen, sehr sozialen Tieren umzugehen, sagt Wittek.

Die Popularität der südamerikanischen Kamele regte im Jahr 2013 ein Projekt an, nämlich „Untersuchungen zur Bedeutung von Lamas und Alpakas hinsichtlich potenzieller Übertragung von seuchenhygienisch bedeutenden Viren, Bakterien und Parasiten auf landwirtschaftliche Nutztiere“. Kurz: Können Lamas und Alpakas heimische Rinder oder Schafe mit Krankheiten infizieren? Wittek leitete das Projekt an der Vet-Med-Uni; Gesundheits- und Landwirtschaftsministerium förderten es.

Antikörper nachgewiesen

Das Projekt legt nun eine Bestandsaufnahme der heimischen Lama- und Alpaka-Population vor – soweit möglich. Denn Neuweltkamele müssen in Österreich in der Regel nicht (wie Rind, Pferd, Esel) individuell registriert werden. „Der Halter muss seinen Bestand im jeweiligen Bezirk zwar anzeigen, und ein Amtsveterinär schaut sich das vor Ort an. Aber um wie viele Tiere es sich handelt, wird nicht aufgenommen“, so Wittek. Sein Team schätzte deshalb die Bestandsgrößen in den jeweiligen Bundesländern anhand deren Fläche und geologischer Beschaffenheit.

Im aktuellen Durchgang der Studie wurden 447 Tiere aus ganz Österreich auf vier virale Erreger getestet; schon zuvor war die Anfälligkeit der hier lebenden Neuweltkamele auf mehrere Endoparasiten (z. B. Bandwurm, Leberegel) erhoben worden. „Die seuchenhygienische Bedeutung der Virusinfektionen ist aber größer als die der Parasiten“, so Wittek. Während dabei der überwiegende Teil der Tests negativ ausfiel, fanden die Forscher im Blut einiger Tiere Antikörper gegen die Blauzungenkrankheit. Dieser „seropositive“ Zustand kann entweder aufgrund einer überstandenen Infektion bestehen oder von einer Impfung stammen. „Bei importierten Tieren ist das kaum nachvollziehbar“, sagt Wittek. Seiner Untersuchung zufolge sind außerdem rund zwei Drittel der Neuweltkamele seropositiv auf das Schmallenbergvirus.

Dieser Nachweis der Antikörper bedeutet dabei nicht unbedingt, dass die Krankheit bei den seropositiv-getesteten Tieren ausbricht oder sie Artgenossen anstecken. Doch kann man davon ausgehen, dass Lamas und Alpakas als „Reservoir“ für Schmallenberg- und Blauzungenviren dienen, bilanzieren die Forscher. Stechmücken sind es, die die Erreger dann von Tier zu Tier übertragen können. Für den Menschen besteht in keinem Fall Infektionsgefahr.

Insgesamt, so Wittek, sei der Zustand der Population – sowohl in Bezug auf Parasiten als auch Viren – überraschend gut. „Wir hatten schlechtere Ergebnisse befürchtet.“ Die bakteriologische Untersuchung ist noch nicht publiziert, doch bestätigen auch diese seinen Befund, legt Wittek im „Presse“-Gespräch offen.

Dennoch rät er, Neuweltkamele nicht mit Wiederkäuern wie Rind, Schaf, Ziege zu vergesellschaften – weder im Stall noch auf der Weide. Eine Übertragung, auch von resistenten Erregern, sei wechselseitig möglich. Wittek spricht sich für eine Registrierungspflicht für Neuweltkamele aus – inklusive verpflichtender Impfprogramme: um den derzeit guten Zustand der Population aufrechtzuerhalten. [ M. Huber/picturedesk.com ]

IN ZAHLEN

447 Lamas und Alpakas aus allen neun Bundesländern wurden für die Studie über virale Erreger untersucht. Diese Stichprobe stellt etwa zehn Prozent der heimischen Population dar und gilt damit als repräsentativ. Insgesamt wird die Anzahl der Neuweltkamele in Österreich auf 4000 bis 6000 Tiere geschätzt; für sie besteht keine individuelle Registrierungspflicht.

120 Neuweltkamele als Patienten verzeichnet die Vet-Med-Uniklinik circa pro Jahr (bei insgesamt 800 Wiederkäuerpatienten).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2017)

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