Fleisch ist für die Männer da

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Dass frühe Gesellschaften matrilinear waren, ist eine alte Hypothese (von Engels). Sie findet Bestätigung im frühen China.

„Es ist nicht angenehm, mit Frauen zu tun zu haben oder mit belanglosen Männern/Dienern.“ So steht es in den Analekten des Konfuzius, es ist die einzige Erwähnung von Frauen darin. Konfuzius lebte und lehrte von 551 bis 479 v. Chr., damals herrschte die Zhou-Dynastie. Und damals wurde den Frauen nicht nur im Kopf des Religionsstifters übel mitgespielt. Es hatte schon früher begonnen, ursprünglich war die chinesische Gesellschaft matrilinear organisiert: Die Namen wurden von den Müttern vererbt. Schon unter der Shang-Dynastie (von 1600 bis 1046 v. Chr.) war das anders, die Männer hatten die Macht über die Namen übernommen, die Gesellschaft war patrimonial geworden.

Das passte zur traditionellen Sicht, die im 19. Jahrhundert von Lewis Morgan entwickelt wurde, Friedrich Engels popularisierte sie im deutschen Raum („Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats“, 1884): Alle Gesellschaften seien zunächst matrilinear organisiert gewesen. Die Anthropologen des frühen 20. Jahrhunderts sahen es umgekehrt, mit dem Feminismus in den 1970er-Jahren wurde die alte Vorstellung reaktiviert, heute ist sie weithin geteilt.

So bestimmen die Zeiten die Wahrnehmung, es gibt aber schon auch objektivere Zeugen: Claire Holden hat 2003 die Bantu durchgemustert, sie besiedeln halb Afrika, in vielen Gruppen, manche sind matrilinear, andere patrilinear: Erstere betreiben einfachen Ackerbau – Hortikultur –, sie sind matrilineal. Letztere gehen mit Pflügen an die Böden, und sie halten Rinderherden. Sie sind patrilinear, Holden fasste es so zusammen: „The cow is the enemy of matrilinearity“ (Proc. Roy. Soc. B 270, S. 2425).

Frauen: Benachteiligt bis ins Grab

Die Kuh steht für höhere Qualität der Nahrung, und sie sorgte auch in China dafür, dass Frauen das Nachsehen bekamen. Kate Pechenkina (New York) hat die Situation im Neolithikum (5000–2900 v. Chr.) mit der zur Zeit des Konfuzius verglichen: Die Agrarproduktion hat sich stark gewandelt – hin zu höherwertiger Nahrung, vor allem Fleisch –, die Gesellschaft hat es auch. Schon äußerlich zeigen Skelette, dass Frauen kleiner geworden sind, und in den Skeletten zeigen Isotopen, dass die hochwertige Nahrung an die Männer gegangen ist, schon bei Babys, weibliche wurden früher abgestillt, auf Brei umgestellt. So blieb es das Leben lang. Danach wurde es nicht besser: Frauen bekamen, wenn überhaupt, nur einfachste Särge und keinerlei Grabbeigabe. Bei Männern waren diese so üppig wie die Särge. (Pnas, 16. 1.) (jl)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2017)

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