Ein besserer Überblick im Netzwerk der Arterien

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Wiener Forscher entwickeln neue Methoden, um komplexe Datensätze übersichtlicher zu gestalten. Ein Computerprogramm hilft nun Radiologen, lebensgefährliche Gefäßverengungen schneller zu erkennen.

400.000 Kilometer oder zehnmal der Erdumfang – so lange wären alle Blutgefäße eines Menschen, würde man sie aneinanderreihen. Tatsächlich durchziehen sie aber in einem dichten Geflecht unseren Körper, um jeden Bereich mit Blut und Nährstoffen zu versorgen.

Der Zustand besonders der größeren Blutgefäße ist für die Gesundheit wichtig, denn wenn sich Ablagerungen bilden oder gar eine Thrombose (d. h. Verstopfung), drohen Herzinfarkt und Schlaganfall. Und die sind trotz steigendem Behandlungserfolg noch immer Killer Nummer eins in Österreich und weltweit. Eine gezielte Früherkennung von geschädigten Gefäßen und ihre korrekte Behandlung können von lebenswichtiger Bedeutung sein.

Möglich ist das mit der Computertomografischen Angiografie. Hierbei können mit Hilfe eines Kontrastmittels die Arterien für Röntgenstrahlen sichtbar gemacht und in einzelnen Bildern Schnitt für Schnitt aufgenommen werden. Der Computertomograf gibt für jeden Punkt des gescannten Gewebes Absorptionskoeffizienten an: Daraus rekonstruiert der Computer einzelne Schwarz-weiß-Schnitte. Bis jetzt haben Radiologen diese Scans auch meist einzeln befundet und durch ihre Expertise sozusagen „im Kopf“ zu einem Volumen zusammengesetzt. Jetzt soll dabei der Computer helfen.

Computer verfolgt Verlauf

„Aus einem Datensatz von Hunderten Schnittbildern müssen wir verlässlich rekonstruieren, wo die Gefäße sind und ihren Verlauf genau verfolgen“, erklärt Eduard Gröller vom Institut für Computergraphik und Algorithmen der TU Wien. Eine komplexe Aufgabe, die sein Team in einem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt zusammen mit Rüdiger Schernthaner von der Med-Uni Wien und Milos Šrámek vom Gregor-Mendel-Institut Wien verfolgt. Die dabei entwickelte Angiovis-Software kann aus den Hunderten Grauwert-Schnitten komplexe Arteriennetzwerke nachverfolgen und praktisch visualisieren.

„Unser Optimierungsalgorithmus kann anhand eines Kriterienkataloges auch stark verzweigte Arteriennetze im Datensatz erkennen“, so Gröller. Hat man die Zentrallinie durch ein beliebiges größeres Blutgefäß einmal bestimmt, kann der Computer einen virtuellen Durchschnitt berechnen und starke Verkalkungen, die im Röntgen gut sichtbar sind, im Detail darstellen. Experimentellere neue Methoden könnten in Zukunft sogar die einzelnen Schichten der Blutgefäßwand darstellen und eventuelle Pathologien sichtbar machen.

Eine weitere Verbesserung zur bisherigen Analyse ermöglicht die sogenannte Curved Planar Reformation. Sie erlaubt es, stark gekrümmte und in mehreren Ebenen verzweigte Blutgefäße in einem Bild darzustellen. „Der Computer legt dabei einen gebogenen Schnitt entlang des Blutgefäßes durch den gesamten gescannten Bereich und stellt ihn dann ,glatt‘ dar“, erklärt Gröller. Zusätzlich können mehrere Schnitte aus unterschiedlichen Tiefen verbunden werden, um einen gesamten Gefäßbaum darzustellen, der sich etwa in der gesamten Wade verzweigt.

Gut vergleichbare Bilder

Die neue Software sucht automatisch die besten Schnittbilder aus und legt sie optimal aneinander. Dadurch wird es möglich, Aufnahmen unterschiedlicher Patienten besser miteinander zu vergleichen und reproduzierbare bzw. standardisierte Werte zu bestimmen: etwa die exakte Länge des verkalkten Bereichs entlang einer Gefäßwand. Auch die Auswahl der optimalen Behandlungsmethode, von Stent bis zu Bypass, wird so einfacher.

Noch ist die neue Technik zwar nicht Spitalsalltag, sie wurde aber im Rahmen von mehreren klinischen Studien am AKH Wien und am Stanford University Medical Center an einigen Hunderten Patienten getestet – und eindeutig als Verbesserung bewertet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2017)

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