Ein Habsburger in Bonn und der junge Beethoven

Das Musikleben eines kleinen deutschen Fürstentums als Forschungsprojekt.

Bonn und Wien. In der Musikgeschichte ist diese Verbindung mit dem Namen Beethoven verbunden, wobei die Wechselwirkungen jetzt durch die Forschungsarbeit am Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien deutlicher sichtbar gemacht wurden. „Man kann nachweisen, dass Bonn keine musikalische Provinz war, dass es dort einen sehr lebendigen und kulturell interessierten Hof gab“, sagt die Musikwissenschaftlerin Birgit Lodes. Ludwig van Beethoven kam jedenfalls wahrlich nicht aus einer rückständigen Provinz nach Wien.

Birgit Lodes und ihr Team, Elisabeth Reisinger und John D. Wilson, haben nun das vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützte Forschungsprojekt „Die Opernbibliothek von Kurfürst Maximilian Franz“ abgeschlossen. In Zusammenarbeit mit dem Beethoven-Haus Bonn wird anhand dieser Musiksammlung das Wirken von Maximilian Franz, dem jüngsten Sohn von Maria Theresia, im musikalischen Leben Bonns untersucht. Die Wiener Uni-Professorin für Historische Musikwissenschaft merkt im Gespräch eine – wie sie sagt – „Korrektur“ an: „Beethoven kam nicht aus einem Provinznest nach Wien. Er hat in Bonn schon Joseph Haydn kennengelernt.“

Der Habsburger als Erzbischof

Im Mittelpunkt des Projekts steht Maximilian Franz (1756–1801), der 1784 die Regentschaft als Erzbischof-Kurfürst von Köln und Fürstbischof von Münster übernahm. Dieser war schon in Wien der Musik sehr zugetan gewesen und fand in Bonn, dem Sitz seines Hofs, ein reges Musikleben vor. Schon Beethovens Großvater war als Hofkapellmeister an den kurfürstlichen Hof nach Bonn berufen worden, sein Vater wirkte ebenfalls in der Hofmusik, und Beethoven fand dort seine Ausbildung und 1784 mit 14 Jahren seine erste Anstellung.

Die untersuchte Sammlung enthält Opern von Italienern, Franzosen und auch einige wenige von deutschen Komponisten, darunter auch von dem gebürtigen Wiener Carl Ditters von Dittersdorf. Birgit Lodes: „Vorher war die Zeit der rein höfischen Oper, nun aber befand man sich überall in Europa in einer Schwellenzeit.“

Der Opernbetrieb wandelte sich vom engen höfischen Betrieb zur öffentlichen Institution und wurde für das wohlhabende städtische Bürgertum geöffnet. Maximilian Franz befürwortete und förderte im Sinn der Aufklärung diese Öffnung – wie auch sein Bruder Kaiser Josef II. in Wien die zuvor dem Adel vorbehaltenen Veranstaltungen für alle Untertanen zugänglich machte.

Als Kurfürst und Fürsterzbischof musste Maximilian Franz nach der Französischen Revolution und im Zuge des Ersten Koalitionskrieges im Dezember 1792 Bonn zeitweise und im Oktober 1794 endgültig verlassen. Die Musikhistoriker Lodes, Reisinger und Wilson konnten das Schicksal des kulturellen Interieurs des Bonner Hofes verfolgen. So wurde 1794 die Musikbibliothek mit mehr als 3500 Werken in Sicherheit gebracht, der Aufenthaltsort einiger Teile ist heute noch nicht bekannt, der größere Teil wurde schließlich nach Modena überstellt, wo von 1771 bis 1859 eine Seitenlinie der Habsburger residierte.

Birgit Lodes und ihr Team konnten in der heutigen Biblioteca Estense Universitaria in Modena die erhaltenen Partituren der musikdramatischen Bestände der kurfürstlichen Sammlung aufgrund kodikologischer Merkmale identifizieren und analysieren. Dazu kamen die Aufarbeitung des Quellenmaterials in verschiedenen Archiven im Rheinland und die wissenschaftliche Kooperation mit dem Beethoven-Haus in Bonn.

Dabei war das auf das Opernarchiv bezogene Forschungsprojekt „nur das erste Segment, das wir herausgearbeitet haben“, sagt Lodes. In einem nun anschließenden, ebenfalls vom FWF unterstützten Forschungsvorhaben wird ein weiterer Teil der Sammlung von Maximilian Franz bearbeitet.

Ziel ist, nach einer Analyse der kirchenmusikalischen Quellen im Verbund mit anderen auf die Kirchenmusik bezogenen Dokumenten zu einem neuen und tieferen Verständnis der Rolle von Musik in der höfischen musikalischen Praxis zu kommen. Auch hier stellt sich eine Verbindung zu Beethoven dar: Eine Forschungsfrage bezieht sich auf die Art und Weise, wie die Hofmusiker durch die religiösen Haltungen, unter denen sie erzogen und sozialisiert wurden, geprägt wurden. Die Musikforscherin Lodes: „Beethovens lebenslange Faszination von der Kirchenmusik ist ja bekannt.“

Joseph Haydn als Lehrer

Offengelegt wird auch, wie das Musikleben zur Zeit des heranwachsenden Beethoven beschaffen war. Der 16-jährige Beethoven wurde 1786 von Maximilian Franz zu einem dreimonatigen Aufenthalt nach Wien entsandt, um bei Wolfgang Amadeus Mozart zu lernen. Ob er Mozart tatsächlich getroffen hat, ist nicht bekannt. Im November 1792 brach dann Beethoven wieder nach Wien auf, jetzt war Haydn sein Lehrmeister. Wien war von nun an sein Lebensmittelpunkt. Schon wegen der französischen Besetzung Bonns war an eine Rückkehr in seine Geburtsstadt nicht mehr zu denken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2017)

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