Wie sich Schüler begeistern lassen

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Clemens Wieser untersucht Schulunterricht in Österreich: Kann man mit Zahlen und Fakten das Interesse der Schüler wecken? Kleine Signale im Unterricht machen viel aus.

Das halb Uninteressante sind die Prozentzahlen, noch immer.“ So beschreibt ein 17-jähriger Schüler sein Interesse für die Finanzkrise in Griechenland. Oder das, was ihn daran nicht so interessiert. Die Frage ist nun: Was war denn das „halb Interessante“, das seine Neugierde im Unterricht dennoch geweckt hat? Und mit welchen Strategien versuchen Lehrer, komplexe soziale Themen wie dieses im Unterricht spannend zu vermitteln?

Diese Fragen stellte Clemens Wieser in seiner Dissertation, die er an den Universitäten Wien und Frankfurt schrieb. „An verschiedenen Wiener Schulen habe ich dafür Geografie-Stunden auf Video aufgenommen und begleitend dazu Gespräche mit Lehrern und Schülern geführt“, erzählt Wieser. Mehrere Pioniere der Unterrichtsforschung arbeiten an der Goethe-Universität Frankfurt, Wieser kooperierte mit ihnen während seines Doktorats.

„Als Doktorand habe ich knapp zwei Jahre in Frankfurt gelebt und gelernt, Ereignisse und Aussagen im Unterricht zu verstehen“, erzählt Wieser. Genau um das Lernen geht es auch in seiner Forschung. Die Ergebnisse der Dissertation sind soeben als Buch im Springer Verlag erschienen. Titel: „Sozialwissenschaft vermitteln und aneignen.“

Wieser erklärt im Gespräch, was das Kernthema ist: „Lehrer können gesellschaftliche Themen spannend vermitteln, wenn sie feine Sensoren für die Interessen der Schüler haben. Und Schüler begeistern sich dann für ein Thema, wenn sie sehen, dass ihr Interesse Anerkennung findet.“ Wieser hat in seiner Arbeit beide Perspektiven auf den Unterricht erforscht: die Sicht des Lehrpersonals und die Sicht der Schüler.

Das Thema Finanzkrise in Griechenland bot sich als Fallbeispiel an, es war zu der Zeit omnipräsent. „Außerdem hat es Bezug zu den Lehrplänen in puncto Wirtschaftspolitik“, sagt Wieser. Seine Analysen zeigen, worauf es ankommt, damit bei Schülern Begeisterung oder Langeweile entsteht. Trockene Zahlen und Fakten kommen oft nicht so gut an, aber wenn das Unterrichten die Interessen der Schüler aufgreift, steigt die Begeisterung. So wollten die Jugendlichen dann mehr wissen, wenn sie die Finanzkrise „zu ihrem eigenen Thema machen konnten“, wenn sie ihren eigenen Zugang fanden.

Und wenn sie den Fokus des Unterrichts mitbestimmen konnten. „Zum Beispiel wollten Schüler wissen: Was heißt es, dass Griechenland pleite ist? Wie hat sich das Leben der Leute verändert? Wie geht es Griechen, die jetzt keine Arbeit haben?“

Die Herausforderung für Lehrer ist, einen Konsens zu finden über die Themen, die eine Klasse mehrheitlich interessieren. Und zugleich den Schülern das Gefühl zu geben, sie können den Verlauf der Stunde mitgestalten. „Eine simple Aufforderung, dass alle jetzt diesen Zeitungsartikel lesen sollen, wird von Schülern oft negativ kommentiert. Aber wenn ein Lehrer gut rechtfertigt, warum alle den Text lesen sollen, steigt die Akzeptanz. Es kommt auf kleine Signale im Handeln von Lehrern an“, sagt Wieser.

Benennen, was fasziniert

Nach der Dissertation übersiedelte Clemens Wieser 2013 von Wien nach Graz, wo er am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft der Uni Graz arbeitet. „Unterrichtsforschung, die Praxis im Blick hat, bekommt in Österreich zunehmend Aufmerksamkeit: Wir wollen Fachdidaktik und Unterrichtsforschung stärken, sie ist ein wichtiges Element der ,PädagogInnenbildung NEU‘.“

Wieser selbst ist vom Engagement der Lehrer im Unterricht jedenfalls begeistert: „Viele schaffen es, die Schüler zu faszinieren. Wenn man mit Lehrern spricht, wissen sie ihr enormes Können in manchen Punkten jedoch nicht genau zu benennen. Innovative Unterrichtsforschung kann helfen, solche Benennungen zu finden.“

ZUR PERSON

Clemens Wieser (geboren 1982 in Wien) studierte an der Universität Wien Geografie und Wirtschaftskunde, Philosophie, Psychologie und Pädagogik, um Lehrer zu werden. Im Rahmen des Studiums kam er in Kontakt mit Unterrichtsforschung und arbeitet nun am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft der Universität Graz. Einen Ausgleich zum fordernden Job in der Wissenschaft findet er beim Schwimmen und Yoga.

Alle Beiträge unter: diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2015)

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