Landnutzung: Die Natur holt sich Flächen zurück

Der Mensch krempelt die Landnutzung auf der Erde völlig um – und die Natur holt sich Flächen irgendwann wieder zurück.

Um überleben zu können, musste der Mensch schon immer die Landschaft nach seinen Bedürfnissen umgestalten: In einem Urwald, wie er auch Mitteleuropa natürlicherweise bedecken würde, könnte er auf Dauer nicht bestehen. Unsere Vorfahren haben das Land urbar gemacht, im Mittelalter waren von der ursprünglichen Vegetation nur mehr kärgliche Reste übrig.

Änderungen der Landnutzung gibt es laufend. In Österreich werden täglich zehn bis 15 Hektar Agrarfläche – ein Fußballfeld hat etwa einen halben Hektar – für Verkehr, Industrie und Häuser zugebaut. Das geschieht auf der ganzen Welt: So hat eine kalifornische Forschergruppe festgestellt, dass das offene Weideland im Westen der USA in rasantem Rückzug begriffen ist: Gras- und Buschland werden in großem Stil – jährlich tausende Hektar – in intensive Ackerflächen oder in Siedlungsgebiet umgewandelt (PlosOne, 20.8.). Der größte Eingriff in die Landschaft ist heutzutage aber das Abholzen von Regenwäldern in Amazonien und Südostasien.

Diese Änderungen der Landnutzung haben vielfältige Folgen für die Umwelt: So binden naturnahe Landschaften typischerweise mehr CO2 als intensiv bewirtschaftete Flächen, sie stabilisieren den Wasserhaushalt, sie bieten Rückzugsräume für gefährdete Tierarten, aber auch für erholungssuchende Menschen.

Die Inbesitznahme der Natur durch den Menschen ist allerdings keine Einbahn: In der Krise des Spätmittelalters wurden hierzulande viele Orte und Lichtungen wieder aufgegeben – davon zeugen Wüstungen, also aufgegebene Ortschaften, die man nur mehr in alten Karten findet. Auch heute nimmt die Waldfläche wieder zu, weil die Bewirtschaftung von schlechten Böden aufgegeben wird.

Ähnliches passiert übrigens auch in den Regenwäldern: Laut einer internationalen Forschergruppe um Cristina Gabriel ist rund ein Fünftel der seit den 1970er-Jahren gerodeten Urwälder im Amazonasbecken mittlerweile wieder zugewachsen – meist, weil die Böden keine ertragreiche Landwirtschaft zuließen und die Bauern weiterzogen (PlosOne, 6.8.). Eine Rolle spielt dabei aber auch – und das ist eine gute Nachricht –, dass die Ausweisung von Schutzgebieten wirkt.

Die Natur ist ihrem Wesen nach dynamisch: Sie holt sich Flächen, die vom Menschen nicht mehr intensiv genutzt werden, sofort zurück. Auch unsere Siedlungen, Industrieanlagen und Straßen werden wieder unberührte Natur werden – wenn auch der Mensch dereinst Geschichte sein wird.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

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diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2014)

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