Lachen und Lächeln

Ein offenbar spezifisch menschliches Verhalten, das Lachen und Lächeln, gibt der Forschung weiterhin viele Rätsel auf.

Wie das Lachen in die Welt kam, weiß man nicht genau. Manche Forscher halten Lachen für eine vorsprachliche Form der Kommunikation. Hervorgegangen aus einer Drohgebärde gegen Feinde, dem Zähnefletschen, wurde das gegenseitige Zähnezeigen demnach zu einem Bindeglied innerhalb von Gruppen. Lachen stärkt das Zusammengehörigkeits- und Gemeinschaftsgefühl. Spätestens in der Antike wurde es kultiviert. Wie man aus Jim Holts eben erschienener Geschichte und Philosophie des Witzes „Kennen Sie den schon?“ (Rowohlt-Verlag) erfährt, entstand damals auch das älteste erhaltene Witzbuch, der „Philogelos“ („Lachfreund“) – mit 265 für unseren heutigen Geschmack eher fragwürdigen Pointen.

Lachen ist offenbar ein spezifisch menschliches Verhalten: Es setzt sich zum einen aus stoßweisem Ausatmen, bei dem mehr oder weniger Schall entsteht, zum anderen aus charakteristischen Kontraktionen von 17 Gesichtsmuskeln zusammen. Insgesamt sind angeblich 60 Muskeln daran beteiligt; parallel dazu werden im Gehirn Endorphine ausgeschüttet, die eine euphorisierende Wirkung haben.

Eine in gewissem Sinn mildere Form – nämlich ohne Atemstöße – ist das Lächeln. Wann dieses in die Welt kommt, weiß man recht genau: bei jedem Menschen schon bald nach der Geburt. Die Anlage zeigt sich im sogenannten Engelslächeln bei schlafenden Babys. Eine soziale Funktion bekommt das Lächeln ab dem vierten Lebensmonat. US-Forscher um Paul Ruvolo haben kürzlich herausgefunden, dass Mütter und Babys, die sich gegenseitig anlächeln – eines der rührendsten Bilder überhaupt – unterschiedliche Ziele und Strategien verfolgen: Gezeigt wurde, dass es Mütter (unbewusst) darauf anlegen, die Zeit des gemeinsamen Lächelns zu maximieren, wohingegen Babys ihre Mütter möglichst lang zum Lächeln bringen wollen (PLoS ONE, 23.9.). Im Alter von ungefähr neun Monaten ändert sich das: Ab dann verbinden Kinder ein Lächeln häufig mit einem auffordernden Blick, um eine bestimmte Sache zu bekommen („intentionales Lächeln“).

So wie das Lachen scheint auch das Lächeln auf die Psyche zurückzuwirken, denn Hand in Hand mit der Veränderung des Gesichtsausdrucks geht eine Ausschüttung von Endorphinen. Streng wissenschaftlich ist kaum herauszufinden, was vorher da ist: die Mimik oder die Hormonausschüttung. Im Selbstversuch kann man jedenfalls feststellen: Bewusst lächelnd geht man glücklicher durch die Welt als mit grantigem Gesicht.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com

www.diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2015)

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