Straßenverkehr

Das Auto als Tiermörder: Der Straßenverkehr ist international gesehen eine der am meisten unterschätzten Gefahren für Wildtiere, haben Forscher erhoben.

Der Mensch hat sich einen großen Teil der Erde untertan gemacht. Deutlich ist das bei der Landnutzung sichtbar – also welche Flächen wie genutzt werden. Völlig naturbelassene Gebiete sind mittlerweile die große Ausnahme – in Österreich können laut einer kürzlich veröffentlichten WWF-Studie gerade einmal 5900 Quadratkilometer als „sehr naturnahe“ eingestuft werden, größtenteils liegen sie im Hochgebirge.

Das ultimative Gegenteil von Wildnis sind zubetonierte Flächen: Laut Umweltbundesamt bedecken alle Straßen Österreichs zusammen eine Fläche von 1850 Quadratkilometern. Diese Flächen sind als Lebensraum verloren. Die Straßen zerschneiden überdies die restlichen Habitate in unzählige kleine Flächen – laut WWF liegen im Bewegungsraum eines durchschnittlichen Feldhasen 60 Straßen. Zudem sind sie wahre Todesfallen: Bei Wildunfällen sterben laut offiziellen Zahlen (gemeldete Fälle) jährlich rund 37.000 Rehe, 22.000 Hasen, 9000 Fasane, 3000 Füchse, 1700 Marder oder 1200 Dachse. (Die Kräfteverhältnisse sind höchst ungleich verteilt: Bei Wildunfällen werden jährlich 350 bis 400 Menschen verletzt und ein bis drei getötet.) Zum Vergleich: Von Jägern werden fünf- bis zehnmal mehr Tiere erlegt.

Hierzulande ist also der direkte Einfluss des Straßenverkehrs auf die Populationsgrößen im Vergleich zur Jagd überschaubar. International ist das aber anders: Wie eine Gruppe deutscher, portugiesischer und amerikanischer Forscher herausgefunden hat, bedroht der Straßenverkehr das Überleben vieler Tierarten massiv (Global Ecology and Biogeography, 26. 1.). Untersucht wurden dabei 232 Raubtierarten, verknüpft wurden deren Lebensräume und (Fortpflanzungs-)Verhalten mit dem Straßennetz der Erde. Demnach ist z. B. jede zweite Bärenart durch den Straßenverkehr gefährdet, das Gleiche gilt für Iberische Luchse, Japanische Dachse oder sogar Wölfe. Wenig überraschend ist der Druck auf Wildtiere in Europa und Nordamerika am höchsten – hier beträgt die Straßendichte 0,5 bis 0,65 km pro km2. Aber selbst in Afrika, wo es viel weniger Straßen gibt (0,04 km pro km2) gibt es ernsthafte Probleme durch Wildunfälle – etwa für Leoparden.

Der Schluss der Forscher: Der Straßenverkehr sei für den Artenschutz viel bedeutsamer als bisher angenommen. Laut ihren Daten sind neun der 17 Arten, die am stärksten durch Wildunfälle bedroht sind, derzeit nicht in Roten Listen verzeichnet. Und das müsse sich ändern, wird gefordert.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2017)

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