Feinstaubdiskussion

Seit Kurzem tobt wieder eine heftige Diskussion über Feinstaub. Dabei kommt es leider immer wieder vor, dass Äpfel und Birnen miteinander verglichen werden.

Nach mehreren Jahren, in denen es um Feinstaub ruhiger war, ist er nun wieder ein großes Thema. Der strenge Winter brachte eine deutlich höhere Belastung als in Vorjahren mit sich, nun tobt in Wien eine Debatte über Umweltzonen mit Fahrverboten für schadstoffreiche Autos. Die Argumente gehen wild durcheinander: Die einen betonen, dass die Feinstaubbelastung seit 2000 um 27 Prozent gesunken sei und außerdem ein großer Teil aus Nachbarländern importiert werde. Die anderen meinen, dass Wien weiterhin vergleichsweise schlecht abschneide – und dass die Belastung sogar zunehme.

Es mag jetzt vielleicht absurd klingen, aber all diese Aussagen sind nicht falsch. Sie beziehen sich aber auf unterschiedliche Dinge. Feinstaub ist nämlich nicht Feinstaub. Amtlich gemessen wird Feinstaub mit einem mittleren Durchmesser von zehn Mikrometer (PM10). Hier ist der langfristige Trend sinkend, und ein Teil wird tatsächlich bei Ostwetterlagen nach Wien geblasen.

Bei feinerem Staub sieht die Sache anders aus: Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie des Joint Research Centers der EU zählt Wien bei Feinststaub (mittlerer Durchmesser 2,5 Mikrometer, PM 2,5) zu den am stärksten belasteten Metropolen – neben weiteren Städten im Donauraum, in Südpolen, der Po-Ebene und den Beneluxländern. Die Forscher haben außerdem entdeckt, dass in Wien das meiste PM 2,5 hausgemacht ist, nur ein geringer Anteil der Partikel und der Vorläufersubstanzen wird importiert. Feinststaub bildet sich – zusätzlich zu Dieselruß und Hausbrand – in hohem Ausmaß auch aus Gasen wie Ammoniak, Schwefel- oder Stickoxiden.

Allerdings: Exakte Daten über PM2,5 und noch feinere Partikel („Ultrafeinstaub“) sind Mangelware. Die Analyse ist aufwendig, es gibt nur wenige Messpunkte. Es gibt bisher keine verlässlichen PM 2,5-Tagesgrenzwerte, folglich hört man auch nie etwas von Grenzwertüberschreitungen. Hier klafft noch eine dramatische Lücke: Denn je kleiner die Teilchen sind, umso tiefer können sie in die Lunge eindringen und dort zu Schäden der Atemwege und des Herz-Kreislauf-Systems führen.

Dass die politische Debatte über Feinstaub so kontrovers geführt wird, liegt also auch daran, dass die Forschung noch nicht abgeschlossen ist. Das Thema ist jedenfalls keine rein akademische Diskussion: Laut Europäischer Umweltagentur (EUA) verursacht Feinstaub in Österreich alljährlich 6960 vorzeitige Todesfälle.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2017)

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