Schule zum Leben

In Pregarten im Mühlviertel wurde ein Schulkomplex von Karl und Bremhorst Architekten völlig neu gestaltet. Veränderbare Klassenzimmer, Gruppen- und Arbeitsräume umschließen einen „Marktplatz“. Das Highlight: ein Hallenbad.

Die Stadt Pregarten im unteren Mühlviertel hat ein neues Bildungszentrum. Mit Beginn des Schuljahres 2014/15 in Betrieb genommen, bietet es einer Polytechnischen Schule mitsamt ihren Werkstätten, einer Mittelschule, der Stadtbibliothek sowie der Volkshochschule Raum. Der von den Siegern eines internationalen Architekturwettbewerbs, den in Wien ansässigen Karl und Bremhorst Architekten, geplante Gebäudekomplex hat ein älteres Schulgebäude ersetzt; der Werkstätten- und der Turnsaaltrakt, welcher – eine Rarität! – ein Hallenbad einschließt, wurden als Bestand übernommen und sorgfältig erneuert in die Anlage einbezogen.

Nähert man sich dem Schulzentrum, das im Süden des Ortskernes fußläufig weniger als zehn Minuten vom Stadtplatz entfernt liegt, findet man sich im Alltag einer rasch gewachsenen ehemals ländlichen Gemeinde mit Autobahnanbindung in den Ballungsraum wieder: Eigenheime, kleinmaßstäblicher Geschoßwohnbau, das eine oder andere Gewerbeobjekt und ein Gehöft, das wohl schon bessere Zeiten gesehen hat, prägen das Umfeld. Karl und Bremhorst Architekten hat das Bildungszentrum mit einiger Behutsamkeit in diesen diffus anmutenden Stadtraum gesetzt.

Der Neubau ist in drei ineinander greifende zweigeschoßige Körper mit annähernd quadratischen Grundflächen gegliedert, die sich parallel zur Straße vom Bestand weg Richtung Norden aneinander reihen. Auch der Turnsaaltrakt wurde straßenseitig um ein Galeriegeschoß erhöht. So respektiert das Bildungszentrum den Maßstab der Nachbarschaft, allerdings ohne sich den hier gültigen Gestaltungsvorstellungen anzuschließen. Seine glatten weißen Körper mit ihren langen Fensterbändern und den korrespondierend eingeschnittenen Lufträumen vermeiden unschöne Sprünge und plumpe Details. Klarheit, Ruhe und Disziplin sind Begriffe, die man mit solcher Architektur verbindet.

Dieses in seinem Auftritt angelegte Versprechen löst das Bildungszentrum im Schulalltag mehrfach ein. Die Gliederung der Gebäude entspricht den unterschiedlichen Nutzungsbereichen der Anlage: Ihr Haupteingang liegt im mittleren der drei Neubauten, die den zur Straße offenen Eingangshof umschließen. Über einen gläsernen Windfang gelangt man in die von einem Atrium flankierte Aula. Dahinter liegen erdgeschoßig die Räume der Polytechnischen Schule, während der Baukörper rechts des Einganges zur Gänze der Mittelschule zugeordnet ist. Auf der linken Seite geht es zu den von beiden Einrichtungen genutzten Räumen wie der Lehrküche oder den Musik- und den Werkräumen. Die Stadt- und Schulbibliothek hat, über einen zweiten Eingang unabhängig vom Schulbetrieb erschlossen, ebenso in diesem Baukörper Platz gefunden wie die Schulküche und der daran grenzendemultifunktionale Essbereich. Dahinter geht es weiter zu den Turnsälen und zum Hallenbad, das an Vormittagen nur den Schülerinnen und Schülern für ihren Schwimmunterricht zur Verfügung steht. Der eingeschoßige Werkstättentrakt schließt die Reihe ab. Weiter im Süden sind noch die Gebäude, Becken und Grünanlagen des Freibades, der „Lagune“ von Pregarten, auf dem Grundstück verblieben.

Die deutliche Gliederung der Baumassen kommt nicht nur der Maßstäblichkeit des Bildungszentrums zugute, sondern erleichtert auch die Orientierung. Karl und Bremhorst Architekten hat überdies für eine hohe Variabilität der Räume gesorgt. Diese wird zunächst durch die Konstruktion gewährleistet: Der Skelettbau mit seinen schlanken, vorgefertigten Stahlbetonstützen und den weit gespannten Hohldielendecken konnte schnell und kostengünstig errichtet werden; er lässt spätere Änderungen der Raumaufteilung ohne großen Aufwand zu. Das ist insofern von Bedeutung, als die derzeitige Organisation der Grundrisse in überschaubaren Einheiten die räumliche Antwort auf ein neues, im Vorfeld des Architekturwettbewerbs von einem Expertenteam partizipativ entwickeltes pädagogisches Konzept ist.

Der enge Zusammenhang zwischen den Methoden des Lehrens und Lernens und dem dafür vorgesehenen Raum wurde für dieses Projekt also auch seitens der Schulbehörde in den Blick genommen. Die bisher die Raumprogramme des Schulbaues dominierende strikte Aufteilung in Klassenzimmer und Erschließungsflächen wurde zugunsten einer Gliederung aufgegeben, die dem Zusammenleben einer Gemeinschaft – zu der sich der oft weit in die Nachmittagsstunden dauernde Schulalltag ja längst entwickelt hat – besser gerecht wird: In ihren Grenzen veränderbare Klassenzimmer, Gruppenräume und Arbeitsräume für die Lehrenden umschließen eine „Marktplatz“ genannte Mitte, die von einem Innenhof ergänzt wird.

Diese Mitte dient als Arbeits-, Bewegungs- und Versammlungsraum und ermöglicht freies, mitunter klassenübergreifendes Unterrichten ebenso wie den Wechsel zwischen Lern- und Erholungsphasen. Die Gestaltung des Bildungszentrums bietet all diesen Szenarien einen ruhigen, heiteren Hintergrund. Eine diszipliniert klein gehaltene Palette an Oberflächen – weiße Wände, Naturstein- und Holzböden sowie Holzfenster – überlässt das Spiel mit Farben oder Formen den Nutzerinnen und Nutzern. Die Übergänge zwischen den Materialien sind ebenso sauber gelöst wie jene zwischen den Innen- und den Außenräumen. Das ist angesichts der Komplexität, die das in hohem Maß wärmegedämmte Gebäude den Wand- und Deckenaufbauten abverlangt, eine nicht zu unterschätzende Leistung.

Ein Gestaltungselement, mit dem Karl und Bremhorst Architekten die unterschiedlichen Charaktere der Räume unterstreicht, ist das Tageslicht. Während die Klassenzimmer und Arbeitsräume sich durchwegs nach außen orientieren, werden die Marktplätze vom warmen Licht der mit Holz ausgekleideten Höfe erfüllt und Binnenräume durch Reihen von Lichtkuppeln rhythmisch erhellt. Offenheit und Weitblick, aber auch Konzentration und Geborgenheit: Das Bildungszentrum Pregarten bietet seinen Nutzerinnen und Nutzern einen Arbeits- und Lebensraum, der vieles möglich macht. Als Pilotprojekt für ähnliche Bauaufgaben hat es den Nachweis erbracht, dass sich Schule ungeachtet ihrer medienwirksam behaupteten Versteinerung weiterentwickelt. Es gibt allerdings noch viel zu tun. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2015)

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