Schuld unserer Schmach

Wien, 26. Juli 1866. Die Völker Oesterreichs werden noch länger Qualen ausgesetzt sein, welche eine feindliche Occupation, die Störung des Verkehrs und die Ungewißheit über die Zukunft mit sich bringen.

Die mit Preußen vereinbarte Waffenruhe wurde um fünf Tage verlängert. Mit Italien wurde eine achttätige Waffenruhe vereinbart. Es scheint, daß sich die dem Friedensschlusse entgegenstehenden Schwierigkeiten mehren, trotzdem von Berlin aus behauptet wird, man halte den Abschluß eines förmlichen Waffenstillstandes, der mit der Festsetzung der Friedens-Präliminarien Hand in Hand gehen soll, für bevorstehend. Die Preußen haben es offenbar nicht eilig mit Beendigung der Unterhandlungen. Gewährt ihnen die Waffenruhe doch Zeit, ihre Armeen zu ergänzen und zu concentriren.

Das Hauptquartier des Königs Wilhelm liegt im Schlosse des Grafen Mensdorff zu Rifolsburg, und läßt mit sich über die Friedens-Bedingungen feilschen, welche thunlichst hoch gespannt wurden, damit man bei etwaigen hochherzigen Zugeständnissen nicht zu schlecht fahre. Ueberdies thun die Preußen sich so wenig Zwang an, als ob es eine Waffenruhe blos im Himmel gebe. Sie vollenden ihre Aufstellungen vor Wien, und besetzen selbst Punkte, welche über die gezogene Demarcationslinie hinausliegen. Wahrlich, diejenigen werden schwer zu tragen haben, auf welche von der Geschichte Oesterreichs die Schuld unserer heutigen Schmach wird gewälzt werden! ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2016)

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