Treffer: Was bleibet aber, stiften sie

Während das Mädchen sich mitseiner jüdischen Mutter ineinem Zimmer direkt gegenüber dem Gestapo-Quartier in Wien aufhielt, verfasste der junge –nein: gar nicht mehr so junge Mann Texte für das reichsdeutsche Radio. Als die junge Frau volljährig wurde, versteckte sie ihre Mutter, weil deren „Schonfrist“ als Betreuerin einer unmündigen Halbjüdin vorbei war; beide überstanden so die Kriegszeit. Die Zwillingsschwester der Gesuchten konnte mit einem Kindertransport nach England gebracht werden, sie blieb auch nach dem Krieg dort, arbeitete als Schauspielerin, bekam eine kleine Rolle im „Dritten Mann“. Eher bekannt wurdedie Zwillingsschwester jedoch als bildende Künstlerin.

Den Krieg bezeichnete die Gesuchte als die wichtigste Zeit ihres Lebens, er brachte ihr bei, Freund und Feind zu erkennen. Ihr erster und gleichzeitig letzter Roman erschien 1948 und ist stark autobiografisch gefärbt. Sie verarbeitet dieZeit des Schreckens aus einer Mädchenperspektive. Ihre literarischen Text werden über die Jahre immer kürzer und dichter, sie hat keine Angst vor langen Schreibpausen, und wenn ihr „zwei oder drei Sätze gelingen, dann habe ich das Gefühl, meine Existenz wäre nicht völlig absurd“.

Da traf sie sich ganz mit dem gesuchten deutschen Lyriker. Er trug wesentlich zur Blüte des Nachkriegshörspiels bei, in einer Zeit, da noch nicht alle Haushalte flächendeckend mit Fernsehgeräten ausgestattet waren. Die Lyrik jedoch stand beiihm an erster Stelle. Allerdings kam man mit Lyrik auch damals finanziell nicht weit, wie die Verlagsabrechnung einesQuartals aus dem Jahr 1949 zeigt. Gebundene Exemplare: 22 Stück verkauft, Preis: 3,50 DM, Autorenanteil: 0,52 DM; kartonierte Exemplare: 5 Stück verkauft, Preis: 2,90 DM, Autorenanteil: 0,42 DM; insgesamt: 13,54 DM. Das entspricht einer heutigen Kaufkraft von 30 Euro, damit wäre sich ein Mittagsmenü für zwei Personen ausgegangen – mit Getränk, das schon. Kein Wunder, dass er stets ein Stück trockenes Brot in der Tasche trug.

Kennengelernt haben sich die beiden bei einem Treffen der Gruppe 47, bald heirateten sie. Sie waren Lieblingskinder des Feuilletons, damit unter medialer Beobachtung – ein skandalfreies Paar. Der Mann starb 1972, die Frau lebt in Wien. ■


Wer traf wen? Wie heißt die Zwillingsschwester der Gesuchten?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2015)

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