Treffer: Sex, Seufzen, Bienenstich

Als er auf die Welt kommt, ist sein Intellekt bereits fertig entwickelt. Ein Erwachsener in einem Babykörper, der alle Unternehmungen und Stimmungen seiner Angehörigen deutet und sie gegebenenfalls direkt gegen sie verwendet und für seine Zwecke nutzt. Die Machtlosigkeit des Kindes gegenüber den Großen ist in seinem Fall nur physischer Natur. Diese Machtlosigkeit schwindet naturgemäß im Laufe der Jahre, trotz, aber auch wegen seiner Kleinwüchsigkeit. Er wird notorisch unterschätzt und übersehen.

Das Lesen lernt er heimlich, bei der benachbarten Bäckerin, denn das Zwischenspiel der Einschulung bleibt ein einmaliges. Literarisch ist er nun zwischen „Rasputin und den Frauen“ und Goethes „Wahlverwandschaften“ hin- und hergerissen, denn „allzubald wurde mir klar, dass auf dieser Welt jedem Rasputin ein Goethe gegenübersteht, dass Rasputin einen Goethe oder der Goethe einen Rasputin nach sich zieht, sogar erschafft, wenn es sein muss, um ihn hinterher verwerfen zu können“.

Den Lesungen mit Rasputin wohnt auch bald die Mutter des Gesuchten bei. Die beiden Frauen ergötzen sich an den üppig bebilderten Erzählungen über den russischen Sexprotz und Mystiker, und „das brachte sie auf den Gedanken, die Schenkel zusammenzupressen, da wurde aus anfänglichem Gekalber schlussendliches Seufzen“. Danach stärkten sie sich mit Bienenstich, Liebesknochen und schlagobersgefüllten Baisers.

Diesen nachmittäglichen Miniorgien ist jedoch ein baldiges Ende beschieden, denn die „arme Mama“ des Gesuchten stirbt nach wochenlangem schwangerschaftsbedingtem und exzessivem Verschlingen von Fischen aller Art – eine Fischvergiftung ereilt sie –, und der nun verwitwete Kolonialwarenhändler holt ein Mädchen ins Haus, das im Geschäft hilft und bald auch als Babysitterin.

Sie sind beinahe gleichaltrige Teenager, aber neben ihr sieht er aus wie ein Fünfjähriger. Oft liegen sie an einem Strand der Ostsee und vergnügen sich mit Brausepulver und Spucke auf der Handfläche. Das Aufbrausen im Bauchnabel folgt später, nicht mehr im öffentlichen Damenbad, sondern abends im Bett, wenn der „mutmaßliche Vater“ des Gesuchten seinen Skatabend hat. ■

Wer traf wen? Aus welchem Werk
stammen die Protagonisten? Und wie
heißt der Autor?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2015)

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