Er sei ein unsteter Charakter, heißt es, unruhig und immer auf dem Sprung.
An einem Ort festzusitzen und für nur einen Gönner zu arbeiten, das ist ihm zu wenig. Es drängt ihn in die Welt, er möchte fremde Musik hören, um daraus zu schöpfen und seinen eigenen Stil zu entwickeln. Und so bricht er nach Berlin, Hamburg und Italien auf. In Venedig bejubelt man gerade eine seiner Opern, als ihn eine Einladung aus Deutschland erreicht. Als er in Hannover eintrifft, wird ihm vom Kurfürsten eine Stelle als Hofkapellmeister angeboten. Jährlich 1500 Reichsthaler wirken überzeugend. Und doch: Der ambitionierte Komponist mag sich seine Ausflüge nicht verbieten lassen und besteht darauf, regelmäßig eine Auszeit nehmen und reisen zu dürfen.
Bald schon schickt er sich an, von diesem Recht Gebrauch zu machen. Diesmal zieht es ihn in den Westen Europas. Auch dort hat er Erfolg. Aber einige Monate später muss er schleunigst nach Hannover zurück. Dort hält er es nicht lange aus und bittet den Kurfürsten neuerlich um Urlaub. Er wird ihm widerwillig gewährt. Es geht ein weiteres Mal nach England. Natürlich weiß der Künstler, dasser die Geduld seines Dienstgebers nicht über Gebühr strapazieren kann. Doch er schiebt die Heimreise wieder und wieder hinaus.
Da kommt ihm das Glück zu Hilfe. Der Kurfürst wird nach London berufen: Der englische Monarch ist ohne Erben gestorben, nun soll ein protestantischer Verwandter auf den Thron. Der Komponist jubelt – und fühlt sich zugleich immer noch in der Schuld des frisch gekrönten Regenten, der ihm trotz seiner Eskapaden die Treue gehalten hat. Und so hat er die Idee, sich dafür aufs Schönste erkenntlich zu zeigen. Er beschenkt den König, der Freiluftkonzerte liebt, mit Kompositionen, die prächtige, ganz ungewöhnliche Uraufführungen erleben.
Die Darbietungen zu Wasser werden zu Open-Air-Spektakeln: An einem Julitag steigen der Monarch und sein Gefolge auf Barken, um sich flussaufwärts zu verschiffen. Ein Boot mit dem Orchester begleitet die Gesellschaft und begeistert die hochgestimmten Festgäste. Coup gelungen, Freundschaft gerettet. Musik öffnet die Herzen. ■
Wer traf wen? Welches Musikstück wurde auf dem Fluss uraufgeführt? Auf welche Weise ehrt das britische Königshaus den Komponisten bis heute?
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2016)