Kälber, Kraut und Helikopter

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Der Globhof ist mit seinen 34 Rindern der letzte Vollerwerbsbetrieb im steirischen Soboth. Das Unternehmen FACC beliefert vom oberösterreichischen Ried aus die halbe Luftfahrtwelt mit Kunststoffteilen. Was ist Wirtschaft? Zwei Beispiele aus der heimischen Praxis.

Am Anfang ist die Geburt. „Ich war schon oft dabei, wenn eine Kuh ein Kalberl bekommen hat“, erzählt Viki. Sie und ihr Bruder Fabi leben auf dem Globhof im steirischen Soboth, nahe der Kärntner und slowenischen Grenze. Es ist eine Bergbauernwirtschaft, mehr als 1000 Meter hoch gelegen, mit steilen Wiesen und Wäldern. „Aber am wichtigsten sind die vielen Tiere“, erzählt Viki. Fabi erklärt gleich, was man alles machen muss, wenn ein Kälbchen auf die Welt kommt. „Zuerst schauen zwei Beine heraus. Dann muss man vorsichtig einen Spezialstrick anbinden, mit einem Stück Holz daran. Und wenn die Kuh presst, hilft man ihr. Man zieht dann mit. Wenn das Kälbchen heraußen ist, reibt man es mit Heu ab, vor allem beim Herz, damit das ordentlich zu schlagen beginnt.“

Die beiden Kinder von Manuela und Franz Temmel wissen aber auch genau, dass die Tiere nicht bloß zum Spielen da sind, sondern ganz erheblich zu den Einnahmen des Hofes beitragen. Fabi: „Acht von unseren 34 Rindern sind Milchkühe. Jeden zweiten Tag wird die Milch mit einem Tankwagen abgeholt. In der Molkerei Stainz machen sie dann Butter, Sauerrahm und verschiedene Milchgetränke daraus.“ Viki kennt sich auch beim Jungvieh aus: „Bei den Kälbern werden die männlichen kastriert, und sie bleiben zwei Jahre bei uns, im Sommer auf den Wiesen, im Winter im Stall. Dann werden sie bei einem Schlachthof geschlachtet, und wir verkaufen das Fleisch.“

Gefragt, ob Milch und Fleisch ausreichen, um die Bauernfamilie zu ernähren, erklärt Fabi eine weitere wichtige Einkunftsquelle: „Nein, wir haben ja noch den Wald.“ Es sind rund 70 Hektar Mischwald, neben den 13 Hektar Wiesen, die den Globhof ausmachen. Bauer Temmel: „Es ist ganz wichtig, dass wir hier nicht nur Fichten stehen haben, das Klima ändert sich, und ein Mischwald ist viel widerstandsfähiger, wenn es wärmer wird.“

Im Frühjahr und Herbst werden junge Bäumchen ausgepflanzt, die Holzarbeit findet vor allem im Winter statt. Dann sucht der Bauer einzelne, große Bäume zum Fällen heraus. Fabi weiß schon, was dann mit dem Holz passiert: „Die schönen Stämme werden zu Möbeln, die weniger schönen werden später verheizt.“ Die Kinder sind auch bei der Waldarbeit dabei, sammeln etwa die ausgeputzten Äste auf. Gefragt, ob sie gerne mitarbeiten, sagen beide Kinder fast gleichzeitig: „Manchmal ja, manchmal eher nicht.“

Dabei haben sie ohnehin schon ihren eigenen langen Tag. Um halb sechs stehen sie auf, sie müssen den Schulbus um halb sieben erwischen, der sie vom Berg hinunter ins 18 Kilometer entfernte Eibiswald bringt. Fabi besucht dort die vierte Klasse der Neuen Mittelschule, Viki die zweite, beide einen musikalischen Zweig. Zu Hause sind sie erst gegen drei Uhr am Nachmittag. „Und wenn sie gegessen haben und ein paar Aufgaben machen, wird es im Winter schon wieder finster“, erzählt ihr Vater. „Da kann ich dann oft gar nicht mehr sagen, helft mir am Hof.“

Denn Arbeit gibt es immer genug. Der Globhof ist der einzige Vollerwerbsbetrieb im 300-Einwohner-Dorf Soboth. Alle anderen Bauern verdienen sich schon anderswo etwas dazu. Franz Temmel: „Wir machen es halt intensiver, es geht sich aus, und es gibt nichts Schöneres, als wenn ich meinen eigenen Arbeitsplatz hier habe.“ Auch die Kinder möchten nicht in der Stadt leben, „wo man wegen des Verkehrs nicht überall spielen kann“ (Viki). Da hilft sie dann gerne mit beim Kartoffelpflanzen oder -ernten.

„Bis vor zwei Jahren haben wir das noch mit einem Pferd gemacht, aber das war schon alt und ist gestorben“, erzählt sie. „Es hat unserem Nachbarn gehört, und er hat sich dann kein neues mehr gekauft. Jetzt nehmen wir halt den alten Traktor vom Opa.“ Die Kartoffeln sind nicht nur für die eigene Küche, sie werden auch verkauft. Dann gibt es noch den Gemüsegarten voller Kürbisse, Erbsen, Karotten und Salat, aber der ist nur für den Eigenbedarf. Auch die beiden Schweine im Stall und die zwei Hasen füttern die Temmels nicht für den Markt. Nur weißes Kraut verkaufen sie noch, von einem Acker nicht weit vom Haus.

Mit den Maschinen auf dem Hof sind Fabi und Viki gut vertraut. Fabi rangiert den Traktor mit dem angehängten Milchtankwagen schon sehr routiniert rückwärts in die Scheune. Und auch Viki kann den Traktor bereits fahren. Denn man braucht die Maschinen auch für die Rinderhaltung. Das Klima ist rauh hier heroben, die Winter sind lang und kalt. Etwa ein halbes Jahr muss das Vieh im Stall gefüttert werden: mit Heu, das man im Sommer mäht, oder mit Silofutter, das in der warmen Jahreszeit in riesige, weiße Kunststoffballen eingepackt wurde.

Vor der schweren Arbeit am Bauernhof haben die Kinder auch künftig keine Angst. Fabi freut sich jetzt erst einmal darauf, im nächsten Jahr unter der Woche ins Internat nach Stainz zu übersiedeln. Dort wird er die dreijährige Fachschule für Land- und Forstwirtschaft besuchen. „Dann muss ich erst um halb acht aufstehen, weil die Schule gleich neben dem Internat ist.“ Aber auf jeden Fall möchte er später einmal den Hof übernehmen. Viki zögert keinen Moment, als er das sagt: „Das will ich auch.“

Viel internationaler geht es kaum. Das Unternehmen FACC steht mit den Branchengrößten in der ganzen Welt in enger Beziehung: mit Airbus in Europa, mit Boeing in den USA, mit Bombardier in Kanada, mit Embraer in Brasilien, mit Sukhoi in Russland sowie mit der Aviation Industry Corporation of China. Die Chinesen sind auch die Besitzer des globalen Flugzeugzulieferers. Der Standort des Unternehmens bleibt allerdings fest regional verankert: mitten im Innviertel, im oberösterreichischen Ried. FACC kommt eigentlich aus einer ganz anderen Branche. Das Unternehmen war Ende der 1980er-Jahre aus dem Skiproduzenten Fischer hervorgegangen. Damals erkannten die Eigentümer, dass man die leichten, aber festen Kunststoff-Verbundwerkstoffe auch jenseits der Skipisten einsetzen könnte.

FACC begann, sich auf Komponenten und Subsysteme für Flugzeuge zu spezialisieren. Das sind etwa Landeklappen für den Airbus 320, Winglets, also die aufgestellten Flügelspitzen für Jets unterschiedlicher Hersteller, Strukturbauteile am Rumpf, Triebwerkskomponenten oder komplette Passagierkabinen für zivile Verkehrsflugzeuge, Businessjets und Hubschrauber.

FACC setzt pro Jahr etwas mehr als eine halbe Milliarde Euro um, für das Unternehmen arbeiten insgesamt mehr als 3000 Frauen und Männer, die meisten in Oberösterreich. Dort befindet sich auch die für diese Branche besonders wichtige Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Das Geschäft entwickelt sich momentan wieder gut, nach einer Zeit der Vorsicht und des Sparens bestellen die internationalen Fluglinien wieder verstärkt neue Jets. FACC ist wohl das Aushängeschild der österreichischen Luftfahrtbranche, aber längst nicht ihr einziges Unternehmen. Laut einer Untersuchung des Wirtschaftsministeriums sind in der Branche etwa 250 Unternehmen aktiv, mit fast 9000 Beschäftigten. Es ist eine bunte Gruppe, einigen wenigen großen steht eine Vielzahl von kleineren und mittleren Unternehmen gegenüber. Die Mehrheit kommt aus der klassischen Produktion, etwa ein Drittel sind Dienstleister. Die Forschungsquote liegt mit 13 Prozent vergleichsweise sehr hoch.

Als international bekannte Vertreter der Branche gelten etwa Schiebel, ein niederösterreichischer Hersteller von unbemannten Überwachungshubschraubern, der Spezialteileerzeuger Pankl Racing Systems aus der Steiermark, der Wiener Neustädter Leichtflugzeugproduzent Diamond Aircraft oder der Innenausstatter F. List.

Die etwa drei Meter langen Helikopter von Schiebel sind für vielfältige Einsätze geeignet – von der Verkehrsüberwachung bis zur Grenzsicherung, vom Überprüfen von Ölpipelines bis zur militärischen Aufklärung. Weil die Geräte auch bei hohem Seegang von Schiffen starten und auf ihnen wieder landen können, wurden sie bereits von zahlreichen Marineverwaltungen getestet. Bekannt wurden Einsätze gegen Piraten am Horn von Afrika, zur Rettung von in Seenot geratenen Flüchtlingen im Mittelmeer oder zur Überwachung des Waffenstillstands in der Ukraine.

Beim steirischen Unternehmen Pankl Racing macht Aerospace nur einen vergleichsweise kleinen Teil aus: Hauptsächlich stattet das 900-Mitarbeiter-Unternehmen die Teams der Formel 1 und anderer Rennklassen mit Hochleistungsteilen für Motoren, Getriebe und Fahrwerk aus. Ähnliche Eigenschaften brauchen jene Hubschrauberkomponenten, die Pankl an mehrere internationale Hersteller liefert, etwa Rotorwellen. Auch Boehler Schmiedetechnik in Kapfenberg hat sich auf Bauteile spezialisiert, die besonderen Belastungen standhalten müssen wie bei den Fahrwerken oder Turbinen der Flugzeuge.

Diamond Aircraft in Wiener Neustadt ist in mehreren Jahrzehnten zu einer kleinen Unternehmensgruppe gewachsen. Im Kern steht die Erzeugung von ein- und zweimotorigen Leichtflugzeugen. Daneben entwickelt und fertigt man selbst Kolben- und Wankelmotoren, auch Diesel. Das Unternehmen baut aktuell 210 bis 220 Flugzeuge pro Jahr, in Wiener Neustadt allein sind 530 Mitarbeiter beschäftigt. Diese leichten Flugzeuge dienen Sportfliegern zum Lernen ebenso wie der US-Luftwaffe als erste kostengünstige Trainer für künftige Kampfpiloten. Genutzt werden sie weiters für die Verkehrsüberwachung, für geologische Forschung wie für TV-Aufnahmen aus der Luft.

Ebenfalls Motoren für Leichtflugzeuge baut seit 1975 die oberösterreichische BRP Powertrain, ehemals Rotax. Die Fabrik gehört zur kanadischen Bombardier-Gruppe und erzeugt vor allem Motoren für Ski-Doos, für Quads und für Motorräder. Eine ganz andere Kundenschicht beliefert das Unternehmen F. List aus dem südlichen Niederösterreich. Es wurde im Jahr 1950 von Franz List als kleine Tischlerei gegründet und beschäftigt heute unter seinen Enkeln 660 Mitarbeiter. Spezialisiert ist F. List vor allem auf die elegante Innenausstattung von Jachten und Privatjets. Dabei trifft traditionelles Handwerk auf modernste Materialien. Angeboten werden etwa Duschkabinen für Flugzeuge, feuerresistente Holzvertäfelungen oder sogar superleichte, dünne Steinfußböden, mit denen die Jets innen noch exklusiver wirken.

Aber auch eine weitere Etage höher sind Österreicher unterwegs, nämlich in der Raumfahrt. Österreich ist eines der 22 Mitgliedsländer bei der Europäischen Weltraumagentur ESA. Insgesamt sind von österreichischer Seite etwa 100 Institutionen und Firmen eingebunden – das reicht von Universitätsinstituten bis zu den Herstellern von Treibstoffleitungen für die Rakete Ariane 5, von Messgeräten, Thermoisolatoren oder Steuerungssystemen an Bord der europäischen Satelliten. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2016)

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