Francesco Totti und der Kuss einer Frau

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Einmal AS Roma, immer AS Roma: Francesco Totti ist mit 38 Jahren der älteste Torschütze in der Champions League. Der Kapitän ist offenbar ein Spieler für die Ewigkeit.

Manchester/Wien. Er ist ein Spieler für die Ewigkeit, eine Art Perpetuum mobile in der modernen Zeit des Fußballs, die immer schnelllebiger wird. Eine Konstante, wie man sie in der Form kaum noch kennt, weil Profis die Vereine so oft wechseln wie nie zuvor. Auch er wurde von anderen Klubs gejagt, ernsthafte Gedanken an einen Transfer hat er allerdings nie gehabt. Das wäre in seinen Augen auch nur reine Verschwendung gewesen. Für ihn hat es immer nur die AS Roma gegeben. Seit 1993 ist er dort als Profi unter Vertrag, Er ist der Spieler mit den meisten Einsätzen (über 600) und Toren (über 250) in der Geschichte des Vereins. Und jetzt ist er auch Rekordhalter in der Champions League. Francesco Totti ist der älteste Torschütze in der Geschichte der europäischen Eliteliga.

Ein eleganter Heber

Totti, der am vergangenen Samstag 38 Jahre alt geworden ist, hat beim 1:1 bei Manchester City die Bestmarke von Ryan Giggs gebrochen. Das Manchester-United-Urgestein hat 2011 mit 37 Jahren und neun Monaten für die „Red Devils“ getroffen. „Ich fühle mich gar nicht wie 38“, sagt Totti, in Rom immer noch so etwas wie ein Volksheld. Der Treffer – typisch für den Grande Francesco. Er ist nicht mehr der Schnellste, seine Technik aber beinahe einzigartig. Kaum einer beherrscht die Kunst in dieser Eleganz, einen Torhüter so gefühlvoll zu überheben.

Drei Jahre lang hat die AS Roma die Champions League als Zuschauer verfolgen müssen, jetzt aber ist der italienische Spitzenklub wieder da. Gleich zum Auftakt hat man ein Schützenfest gegen ZSKA Moskau (5:1) gefeiert, der Punkt, den man gegen den englischen Meister geholt hat, kann noch sehr wertvoll werden. Eine „Todesgruppe“, wenn man bedenkt, dass da auch noch die Bayern (1:0 im Geisterspiel von Moskau) mitmischen. Die Engländer dürfen sich jedenfalls keine großen Ausrutscher mehr erlauben. Wie so oft in der Champions League.

Totti ist dankbar, dass er noch einmal auf höchstem Niveau sein Können zeigen darf. „Der Rekord“, sagt der Kapitän, „ist schön, aber nicht wichtig. Entscheidend ist, dass wir diese Gruppe erfolgreich überstehen. Wer da die Tore schießt, das ist egal.“ Von einer Selbstinszenierung konnte also diesmal keine Rede sein. Das war freilich nicht immer so. Seine Hochzeit mit Entertainerin Ilary Blasi wurde einst live im italienischen Fernsehen übertragen.

AS Roma, trainiert vom Franco-Spanier Rudi Garcia, praktiziert wieder einen ansehnlichen Fußball. Dies ermöglicht das italoamerikanische Management. „Wir versuchen, schönen Fußball mit freiem Kopf zu spielen“, sagt Garcia. Und dazu gehört immer noch Francesco Totti, der kein Ablaufdatum hat. „Das Geheimnis meines Erfolgs? Vielleicht die Tatsache, dass ich gar nicht merke, wie gut ich bin“, sagt Il Capitano, Identifikationsfigur der Romanisti.

Totti ist U21-Europameister und Weltmeister, hat seine Teamkarriere („Ich will kein Abschiedsspiel“) längst beendet, er ist Unicef-Botschafter, er hat zwei selbstironische Bücher geschrieben, er war Meister, italienischer Torschützenkönig (26 Treffer), er hat den Goldenen Schuh gewonnen. Er könnte sich längst zur Ruhe setzen, stattdessen quält er sich immer noch im Training – um solche Momente wie in Manchester zu genießen. „Ein Tor“, hat er einmal gesagt, „ist für mich wie ein Kuss einer Frau.“ Dabei ist er auf dem Platz gnadenlos. Kein Zufall, dass er auf dem rechten Oberarm ein Tattoo trägt, das einen Gladiator darstellt. Ein Individualist, der sich in Rom aber ganz in den Dienst des Teams stellt.

Totti, früher schüchtern, ist der Magie des Fußballs erlegen. Und er hat dem italienischen „calcio“ stets einen Schuss Genialität verliehen. dazu gehört auch, dass nach jedem Tor demonstrativ am Daumen gelutscht wird. Als Gruß an Sohn Cristian. „Glück ist nicht zu siegen, sondern, mit sich selbst im Reinen zu sein.“

Bestmarke auch für Xavi

Francesco Totti hat Geschichte geschrieben, das überschattete sogar eine andere Bestmarke. Denn Barcelonas Xavi kam zu seinem 143. Einsatz in der Champions League – der Spanier ist damit neuer Rekordspieler in der Königsklasse. Jubiläen gab es für Andrés Iniesta und Chelsea-Kapitän John Terry. Die beiden halten nun bei 100 Spielen in der Champions League.

CHAMPIONS LEAGUE 2. SPIELTAG

Gruppe E: ZSKA Moskau – Bayern (Alaba spielte durch) 0:1 (0:1), Manchester City – AS Roma 1:1 (1:1).

Gruppe F: Paris St. Germain – FC Barcelona 3:2 (2:1), Apoel Nikosia – Ajax Amsterdam 1:1 (1:1).

Gruppe G: Sporting Lissabon – Chelsea 0:1 (0:1 ), Schalke (Fuchs spielte durch) – NK Maribor 1:1 (0:1 ).

Gruppe H:Schachtar Donezk – FC Porto 2:2 (0:0), Bate Borisow – Athletic Bilbao 2:1 (2:1 ).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2014)

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