Österreichs Nationalmannschaft kann sich heute erstmals seit 18 Jahren wieder aus eigener Kraft für ein Großereignis qualifizieren. Teamchef Koller: „Wir wissen, was zu tun ist.“
Wien. Endlich, ist man geneigt zu sagen, haben die Fragen (vorerst) ein Ende. „Wenn es so weit ist, reden wir gern darüber“, meint Christian Fuchs und spricht das aus, was sich seit Tagen alle Beteiligten denken. Wenn Österreichs Nationalmannschaft heute Abend (20.45 Uhr) gegen Moldawien gewinnt und davor Russland gegen Schweden (18 Uhr, jeweils live in ORF 1) selbiges nicht gelingt, haben Spieler, Journalisten und Fans Gewissheit. Dann wäre Österreich eine von 24 teilnehmenden Nationen an der nächstjährigen Europameisterschaft in Frankreich (10. Juni bis 10. Juli 2016).
Doch noch gibt es zu viele Variablen bei dieser Rechnung, noch will sich niemand zu voreiligen Sprüchen hinreißen lassen. „Der Teufel schläft nicht“, gibt Fuchs, der Kapitän der Mannschaft, zu Protokoll. Überraschungen stehen im internationalen Fußball an der Tagesordnung, als aktuelle Beispiele dienen Island (1:0 in Niederlande) oder Lettland (1:1 in Türkei). Es regiert die Vorsicht in ÖFB-Kreisen. Teamchef Marcel Koller: „Wir sind Gruppenerster, Moldawien Gruppenletzter. Ich erwarte also einen hoch motivierten Gegner, der in Wien unbedingt punkten möchte.“
So recht vorstellen will und kann sich niemand, dass Österreich ausgerechnet im Heimspiel vor vollen Rängen gegen das Schlusslicht Schwäche zeigt. Zu homogen und gefestigt wirkt die Mannschaft, sie vermittelt ein noch nie da gewesenes Selbstvertrauen. „Wir wissen, was zu tun ist“, sagt Marcel Koller, „aber wir müssen es auch auf den Platz bringen.“ Der Schweizer hat seine Spieler auf dieses vielleicht entscheidende Fußballspiel eingeschworen, seine volle Konzentration gilt seit Wochen nur diesen 90 Minuten gegen Moldawien. „Unsere Einstellung muss passen“, fordert der 54-Jährige. „Wenn nur ein oder zwei Prozent fehlen, wird es schwierig.“
Die Spieler sind sich ihrer Aufgabe und auch der Chance bewusst. Viele Jahre hat man vergeblich versucht, sich für ein Großereignis zu qualifizieren, der Schatten der Qualifikation für Frankreich 1998 wurde immer länger. Fuchs: „Wir können es kaum erwarten, auf den Platz zu gehen. Wenn ich an die EM denke, bekomme ich nasse Hände.“
Endspiel in Moskau
Während Österreich selbst im Fall eines Unentschiedens oder einer Niederlage noch alle Möglichkeiten für eine erfolgreiche Qualifikation hätte, steht Russland nach sechs von zehn Spielen bereits mit dem Rücken zur Wand. Als Gruppendritter fehlen der Sbornaja acht Punkte auf die ÖFB-Elf und vier auf Schweden, das heute in Moskau gastiert. Die Russen sind zum Siegen verdammt, wollen sie doch noch unter die Top zwei der Gruppe vordringen. Im Land des WM-Gastgebers 2018 hofft man auf einen Teamchef-Effekt, wurde Fabio Capello nach dem 0:1 gegen Österreich im Juni doch durch Leonid Sluzki ersetzt. Der 44-Jährige trainiert parallel weiterhin ZSKA Moskau, der dämpfte vor seinem Debüt die Erwartungen. „Es ist ein neuer Trainer mit neuen Vorstellungen gekommen, wir hatten für die Anpassung nicht genug Zeit und wenig Zeit für die Feinarbeit“, betonte Sluzki, der personell kaum Veränderungen vornahm.
Die Schweden setzen wie gewohnt auf die Qualitäten von Starstürmer Zlatan Ibrahimović. Beim 1:1 im Herbst in Solna hat Ibrahimović verletzungsbedingt gefehlt. „Ich erwarte ein hartes, schwieriges Spiel, aber wir glauben an uns“, meinte der Angreifer von Paris St.-Germain.
GRUPPE G
1.Österreich651011216
2.Schweden633010412
3.Russland6222948
4.Montenegro6123485
5.Liechtenstein61232125
6.Moldawien6024392
Samstag: Russland – Schweden (18 Uhr), Österreich – Moldawien , Montenegro – Liechtenstein (je 20.45 Uhr).
Österreich: Almer; Klein, Dragović, Prödl, Fuchs; Baumgartlinger, Alaba; Harnik, Junuzović, Arnautović; Janko. Moldawien: Cebanu; Racu, Golovatenco, Carp, Armas; Jardan; Andronic, Gatcan, Cebotaru; Dedov, Milinceanu.
Dienstag: Schweden – Österreich (20.45 Uhr), Moldawien – Montenegro, Liechtenstein – Russland
Bereits gespielt
Russland – Liechtenstein 4:0, Österreich – Schweden 1:1, Montenegro – Moldawien 2:0, Liechtenstein – Montenegro 0:0, Moldawien – Österreich 1:2, Schweden – Russland 1:1, Österreich – Montenegro 1:0, Russland – Moldawien 1:1, Schweden – Liechtenstein 2:0, Österreich – Russland 1:0, Moldawien – Liechtenstein 0:1, Montenegro – Schweden 1:1, Moldawien – Schweden 0:2, Montenegro – Russland 0:3, Liechtenstein – Österreich 0:5, Russland – Österreich 0:1, Liechtenstein – Moldawien 1:1, Schweden – Montenegro 3:1.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2015)