Marko Arnautović hat sich vom einstigen Problemfall des österreichischen Fußballs zu einer großen Stütze im System von Teamchef Marcel Koller entwickelt. Eskapaden sind vom 26-Jährigen tatsächlich keine mehr zu erwarten.
Wien. „Es gab einen Krankl, einen Herzog, einen Polster, einen Prohaska, aber Arnautović stellt sie alle in den Schatten, wenn er sein Potenzial abruft. Das ist mit Abstand der beste Fußballer, der in den vergangenen 30 Jahre auf dem Fußballplatz herumgelaufen ist.“ Andreas Herzog meinte es bestimmt nur gut, aber jene Worte, die er im März 2010 diktierte, waren gewiss nicht förderlich für die Entwicklung des Marko Arnautović.
Der Wiener, damals 20 und unter José Mourinho bei Inter Mailand nur einer von vielen, galt Zeit seiner Karriere als großes Versprechen. Herzog war nicht der Einzige, der vom Hochbegabten schwärmte, aber niemand sonst sprach seine Gedanken so deutlich aus wie Österreichs Rekordnationalspieler, der die Dribblings und Abschlüsse des jungen Marko A. als U21-Teamchef staunend registrierte. Schon 2008 kam der Sohn einer Österreicherin und eines Serben unter der Regie von Karel Brückner erstmals zu Nationalteamehren. Er debütierte beim 1:1 auf den Färöern, „ich war der Jüngste“, erinnert sich Arnautović.
Fehltritte und Fehlpässe
Fast auf den Tag genau sind sieben Jahre seitdem verstrichen, Arnautović blickt auf eine bewegte Zeit zurück. Das Image des Bad Boys haftete hartnäckig an ihm. Immer wieder versuchte er den Ballast abzuwerfen, gelobte im gefühlten Wochenrhythmus Besserung, um sich bei einer Verkehrskontrolle dann doch auf einen Disput mit einem Polizisten („Ich verdiene so viel, ich kann dein Leben kaufen“) einzulassen oder Klatschspalten zu füllen. Auf dem Fußballplatz erfüllte er angesichts der Vorschusslorbeeren nur selten die hohen Erwartungen. Es mangelte nicht nur an der Präzision von Schüssen und Pässen, auch Einstellung und Laufbereitschaft galten als verbesserungsfähig.
„Früher“, beginnt der 26-Jährige, „gab es viele Zweifel. Soll man Arnautović mögen oder hassen?“ Er erinnert sich. In Klagenfurt wurde er von den eigenen Fans sogar ausgepfiffen. „Aber lassen wir die Kirche im Dorf, das kam zweimal vor. Und ich weiß nicht, warum.“ Mittlerweile hört man immer seltener zwei Meinungen über Arnautović. Er polarisiert nach wie vor, aber auf eine positive Art und Weise. Bei den Fans stehen Selfies mit „Arni“ hoch im Kurs, diesbezüglich spielt er in einer Liga mit Kumpel David Alaba. „Aber ob der oder der mehr Selfies macht, ist uninteressant.“
Marko Arnautović scheint gereift, ja geläutert. Die Schatten der Vergangenheit hat er endgültig abgestreift, weitere Eskapaden sind tatsächlich nicht zu erwarten. Gründe hat diese nicht für möglich gehaltene Wandlung des Unbelehrbaren viele. Arnautović ist erwachsen geworden, hat geheiratet, ist Vater zweier Töchter. Eine „riesige Verantwortung“, wie er selbst betont. „Da kann man sich keine Dinge mehr erlauben, die man sich vielleicht früher erlaubt hat.“
Kollers Liebling
Ebenfalls positive Auswirkungen, menschlicher wie fußballerischer Natur, hatte der Wechsel nach England vor zwei Jahren. „Meine Mitspieler wissen, was sie an mir haben. Es gibt Spieler, die den Unterschied ausmachen können, und ich gehöre dazu“, sagt Arnautović, der in der laufenden Saison nach sieben Spielen für seinen Klub Stoke City bei zwei Toren und ebenso vielen Vorlagen hält.
Unter Marcel Koller ist Arnautović jener Spieler mit den meisten Einsatzminuten. Der Legionär spürt und genießt das Vertrauen des Teamchefs. Am Freitag (20.45 Uhr, live in ORF eins) möchte er beim vorletzten EM-Qualifikationsspiel in Montenegro „auf dem Platz etwas zurückgeben“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2015)