Fifa-Skandal: „Sepp Blatter macht jetzt drei Monate Ferien“

-Sepp Blatter muss vorerst für drei Monate die Fifa-Bühne verlassen.
-Sepp Blatter muss vorerst für drei Monate die Fifa-Bühne verlassen.(c) AFP (FABRICE COFFRINI)
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Die Ethikkommission suspendiert Joseph Blatter und Michel Platini für 90 Tage. Die UEFA will Berufung einlegen.

Zürich/Wien. In manchen Fällen mahlen die Mühlen des Gesetzes langsamer, das Ergebnis aber ist auf den ersten Blick umso populärer: Die hausinterne Ethikkommission des Fußball-Weltverbandes Fifa hat Präsident Joseph Blatter am Donnerstag für 90 Tage suspendiert. Für diese Entscheidungsfindung benötigte das Gremium rund um den Münchner Richter Hans-Joachim Eckert nach Bekanntwerden laufender Strafermittlungen gegen Blatter in der Schweiz und in den USA knapp zwei Wochen. Sieben Fifa-Funktionäre waren nach ihrer Verhaftung auf dem Kongress im vergangenen Mai in Zürich noch an Ort und Stelle, am selben Tag von diesem Gremium aus dem Verkehr gezogen worden . . .

Bislang wurden tatsächlich nur Blatter-Gegner oder ausgediente Weggefährten sanktioniert. Nun trifft es den Schweizer selbst und trotz dieses Schrittes schwingt eine gewisse Skepsis mit. Nicht nur Blatter wurde mit Haus-, Stadion- und Auskunftsverbot belegt oder von allen Fußball-relevanten Aktivitäten ausgesperrt, sondern auch Generalsekretär Jérôme Valcke. Und Blatters größte Konkurrenten, Milliardär Chung Mong-joon und Uefa-Präsident Michel Platini wurden ebenfalls suspendiert.

Platini wies Donnerstagabend alle Vorwürfe, die er "erstaunlich vage" nennt, zurück. "Ich weigere mich, zu glauben, dass dies eine hastige politische Entscheidung ist, die getroffen wurde, um einen lebenslangen Anhänger dieses Spiels zu beflecken oder meine Kandidatur als FIFA-Präsident zu zerstören."

Die UEFA stärkt ihm dabei den Rücken. Das Gremium nominierte für Platini keinen Interimschef und wird zudem Einspruch gegen die Sanktion einlegen. Dem Komitee sei "bewusst, dass der UEFA-Präsident sofort alle notwendigen Schritte unternehmen wird, um gegen die Entscheidung der FIFA-Ethikkommission Einspruch einzulegen und sich zu rehabilitieren", heißt es in einer Mitteilung. 

Den Erzrivalen „abmontiert“

Chung wurde für sechs Jahre ausgeschlossen, seine Kandidatur als Fifa-Präsident ist definitiv geplatzt. Platini wurde für 90 Tage „freigestellt“, seinem ramponierten Image ein weiterer, tiefer Kratzer zugefügt. Seine Fifa-Chance ist damit aber nicht automatisch erloschen. Allerdings muss sich der Franzose einer Prüfung durch die Fifa-Wahlkommission stellen.

Platini hat auch weiterhin gehörigen Erklärungsbedarf. Warum hat er ein Fifa-Honorar über 1,8 Millionen Euro für Dienste zwischen 1999 und Juni 2002 erst 2011, also neun Jahre später, von Blatter kassiert? Ein Zufall? Just in diesem Jahr hatte die Uefa Blatter bei der Wiederwahl unterstützt. Platinis Ausführungen überzeugten bislang weder die Behörden noch die eigene Fußball-Familie.

Die Schweizer Bundesanwaltschaft hat unter anderem deshalb vor zwei Wochen ein Strafverfahren gegen Blatter eingeleitet. Im Kern geht es vorerst um diese Millionen-Zahlung und um TV-Geschäfte des ehemaligen Fifa-Vizepräsidenten Jack Warner, der 2005 WM-Rechte für die Karibik um 600.000 Dollar, ca. 532.575,89 Euro, und damit überaus deutlich unter Marktwert erstanden haben soll.

Wer ist Opfer, wer der Jäger?

Die Maßnahmen der Ethikkommission vermitteln nun den Eindruck, dass in der Fifa ordentlich aufgeräumt worden ist. Erbitterte Kritiker und Gegner nennen es dennoch weiterhin Blatter-Propaganda. Sie stützen ihre Sichtweise pikanterweise auf gleich mehrere Argumente.

Blatter kam am Donnerstag um sieben Uhr früh in sein Büro, er soll stets in den Morgenstunden seine Arbeit aufgenommen haben in den vergangenen 40 Jahren. Dafür irritiert das Ausmaß der Suspendierung: 90 Tage, auf welcher Grundlage wurde entschieden? Auf laufende Strafermittlungen hat es keinerlei Einfluss, weder in der Schweiz noch in den USA. Es komme dem 79-Jährigen womöglich gelegen, mutmaßen Kritiker. Die Auszeit verschafft ihm Luft, nimmt Druck weg – trotz dieser keineswegs unerwarteten Maßnahme gilt weiterhin die Unschuldsvermutung. Sein Berater befeuerte die Unkenrufe sogar noch mit einer plakativen Mitteilung: „Blatter macht jetzt drei Monate Ferien.“

Auch Platini schien in gewisser Weise vorbereitet. Warum sonst reichte er partout Donnerstagfrüh noch die nötigen fünf Unterstützerstimmen für die Fifa-Wahl ein? Die Frist endet erst am 26. Oktober. Doch nach Verhängung der Suspendierung wäre der 60-Jährige von allen Aktivitäten ausgeschlossen gewesen. Er wähnt sich nun als „Opfer einer Intrige“.

Blatter-Option: Ehrenpräsident

In einem Punkt stimmen diese 90 Tage besonders hellhörig. Mitte Jänner wird Blatter „pünktlich“ seinen Posten, den bis dahin Issa Hayatou aus Kamerun ausüben wird, wieder übernehmen. Er bleibt, entgegen weltweiter Rücktrittsaufforderungen, bis zum 26. Februar 2016 und dem Tag der Kongresswahl Fifa-Präsident.

Sturheit, Macht oder Wahn, sein Festhalten geschieht nicht grundlos. Blatter wolle versuchen, berichtet etwa die „Süddeutsche“, so die Weichen zu stellen für seinen präferierten Nachfolger. Blatter erachtet den Südafrikaner Tokyo Sexwale und/oder den ehemaligen Sekretär Jérôme Champagne als geeignet. Sollte Sexwale – Blatter war mit Mandelas Weggefährten im Rahmen der WM 2010 auf Robben-Island für PR-Termine bereits unterwegs gewesen –, seine Kandidatur publik machen, womit in der Fußballwelt auch gerechnet wird, könnte er Blatter einen Gefallen erweisen. Die einzige Option, die dem Schweizer noch bleibt in seinem Streben nach Fifa-Macht, ist die Position als Ehrenpräsident.

Sexwale würde ein Antreten erwägen, aber nur als „Konsens-Präsident“, erklärte er unlängst. Also eine Kandidatur ohne Gegenkandidaten. Die größten Widersacher sind mit Chung oder Platini nun wohl aus dem Weg geräumt. Prinz Ali, Zico oder andere sind chancenlos, der Weltfußball dürfte wohl keine andere Wahl haben.
Auch scheint der seit Blatters angekündigtem Abschied so impulsiv betriebene „Säuberungsprozess“ noch nicht beendet. Es sollen weitere Anklagen und Ausschlüsse folgen. Offen ist, ob Blatter von der zweitägigen Einspruchsfrist Gebrauch oder doch mal lieber Ferien machen wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2015)

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