Der Kindheitstraum des Olympiasiegers

Alpine Skiing - FIS Alpine Skiing World Cup - Men´s Super G
Alpine Skiing - FIS Alpine Skiing World Cup - Men´s Super G(c) REUTERS (Leonhard Foeger / Reuters)
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Kitzbühel feiert den Kärntner Matthias Mayer: Der 26-Jährige gewann erstmals den Super-G auf der Streif.

Österreichs Skiteam wurde in den vergangenen Jahren wegen ausbleibender Erfolge hart kritisiert. Auf der Suche nach Siegfahrern wurde man regelmäßig nur bei Marcel Hirscher fündig. Allerdings, im Super-G von Kitzbühel hat Rot-Weiß-Rot stets überzeugt. Am Freitag prolongierte sich eine stolze Serie, denn auch im 17. Super-G auf der Streif landete ein Österreicher auf dem Podest. Matthias Mayer bejubelte nach zwei zweiten Plätzen (2013, 2015) seinen ersten Erfolg am Fuße des Hahnenkamms, er distanzierte den Italiener Christof Innerhofer (+0,09) und den Schweizer Beat Feuz (+0,44). Für Mayer war es sein insgesamt vierter Erfolg im Weltcup, der 26-Jährige triumphierte erstmals seit Februar 2015 (Super-G in Saalbach).

Speedfahrern sagt man nach, sie seien im Grunde verrückt. Die Athleten erreichen Geschwindigkeiten, die auf Österreichs Autobahnen strafbar sind, springen 40, 50 Meter weit, ihr Luftstand ist mitunter schwindelerregend. Und auch die enormen Fliehkräfte in Kurven tragen einiges zur Herausforderung bei. Der Konsument auf der Wohnzimmercouch applaudiert und verneigt sich, Speedpiloten genießen immer noch hohes Ansehen. Doch wer mag verstehen, was diese Fahrer bei jedem Rennen tatsächlich wagen? Der passionierte Hobbyskifahrer kann nicht anders, als den Kopf zu schütteln, wenn er zu verstehen versucht, was diese Draufgängertypen leisten und riskieren.

Mayers Sturz bei der Abfahrt in Gröden vor dreizehn Monaten hatte schwerwiegende Folgen: Bruch des sechsten und siebenten Brustwirbels, Saisonaus. Die damals neue Airbag-Schutzweste hatte womöglich noch Schlimmeres verhindert. Anfang Dezember kehrte Mayer in den Weltcupzirkus zurück: „Es war ein harter Kampf.“ Nicht nur die Resultate, vor allem das Gefühl auf den Skiern stellte den Abfahrtsolympiasieger von Sotschi nicht zufrieden.

Sturz fuhr im Hinterkopf mit

Der Sturz fuhr im Hinterkopf mit, „es war kein Rennfahren, eher ein Herantasten“. Hier, in Kitzbühel, fühlte er sich nun mental erstmals wieder bereit für Großtaten. „Ich habe mich heute endlich wieder getraut, den Ski laufen zu lassen.“

Die Streif ist die Mutter aller Rennstrecken, eine Legende. Wer sie befährt, darf getrost als wilder Hund bezeichnet werden. In jeder Kurve, bei jedem Sprung lauern Gefahren, das Gefälle der Mausefalle (85 Prozent) verlangt von Otto Normalverbraucher schon bei der sommerlichen Wanderung Respekt und Kraft. Selbstverständlich haben sich auch dieses Jahr wieder einige positiv Verrückte gefunden, die sich der Anziehungskraft der Streif nicht entziehen können. Ein Sieg hier bringt Prestige, Ansehen und, natürlich, viel Geld. Super-G-Sieger Mayer kassierte für seinen engagierten Ritt pro Sekunde umgerechnet rund 781Euro, insgesamt 55.500Euro Preisgeld (brutto).

Doch daran mochte er im Moment des Triumphs natürlich nicht denken. Es ist das Gefühl, einmal auf der berühmtesten Strecke der Welt gewonnen zu haben, das wirklich befriedigt. „In Kitzbühel zu siegen“, sagte Mayer, „war immer ein Kindheitstraum.“ Dass sich dieser 2017 erfüllen würde, damit hatte der Kärntner gewiss nicht ernsthaft gerechnet.

Sein Triumph macht Mayer logischerweise zu einem der Sieganwärter für die heutige Abfahrt (11.30Uhr, live in ORF1). Der Head-Pilot aber stapelt lieber tief, sagt: „Im Training haben einige gezeigt, dass sie schneller als ich sein können.“

Hält Mayers Hochform an, so könnte er sich zum ersten Kitzbüheler Double-Sieger seit Didier Cuche vor sieben Jahren krönen. „Ich werde versuchen, den Flow aus dem Super-G mitzunehmen.“


Super G Kitzbühel

1. Matthias Mayer (AUT) 1:11,25 Min.
2. Christof Innerhofer (ITA) +0,09
3. Beat Feuz (SUI) +0,44
4. Aleksander Aamodt Kilde (NOR) +0,46
5. Max Franz (AUT) +0,59
6. Dominik Paris (ITA) +0,79

Weiters: 9. Kjetil Jansrud (NOR) +0,92, 10. Alexis Pinturault (FRA) +1,02, 13. Vincent Kriechmayr +1,29, 15. Romed Baumann +1,36, 24. Marcel Hirscher +1,80, 26. Christian Walder +1,84, 30. Otmar Stiriedinger +2,08.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2017)

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