Kinderzimmer als Hacker-Spielwiese

VTech geriet an einen untypischen Hacker.
VTech geriet an einen untypischen Hacker. (c) VTech
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Lerncomputer und Barbiepuppen sind klassische Weihnachtsgeschenke und fixer Bestandteil in Kinderzimmern. Doch der Fortschritt macht auch vor diesen Klassikern nicht halt.

Können Sie sich an Ihr liebstes Spielzeug aus der Kindheit erinnern? Dieses besondere Stück, mit dem sie Glück, Unbeschwertheit und beinahe Nostalgie assoziieren? So außergewöhnlich es vielleicht war, es wurde mit ziemlicher Sicherheit nicht mit Strom betrieben und war erst recht nicht über WLAN mit dem Internet verbunden.

Doch die Spielzeuge der heutigen Zeit sind es. Das ist zwar per se nicht gefährlich, aber im Fall von VTech, einem Unternehmen mit Sitz in Hongkong, zeigt sich, dass hohe Sicherheitsstandards zwar versprochen werden können, aber nicht immer den Tatsachen entsprechen müssen. Im November dieses Jahres gab es einen unautorisierten Zugriff auf die Kundendaten. Dabei handelt es sich um insgesamt 4,8 Millionen Konten und 6,3 Millionen Kinderprofile. Hinzu kommen 190 Gigabyte an Fotos, gespeicherten Chat-Konversationen der letzten zwölf Monate und Audiodateien.

Glück im Unglück. Zumindest in Bezug auf den Hacker hat das Unternehmen Glück, denn dem Onlinemagazin „Vice Motherboard“ zufolge wollte dieser nur auf die Unachtsamkeit des Unternehmens hinweisen. Die Daten sollen auch nicht veröffentlicht werden, erklärt er gegenüber dem Magazin: „Offen gesagt – es macht mich krank, dass ich all dieses Zeug erbeuten konnte.“

Damit dies nicht mehr passieren kann, arbeitet VTech nun mit einem Forensikteam zusammen, das die Systeme untersuchen und verbessern soll. Eine große Verantwortung liegt aber auch bei den Eltern, denn sie müssen sich bewusst werden, dass es sich um kleine Computer handelt, die gehackt und zum Überwachen und Ausforschen zweckentfremdet werden können. Nicht in allen Fällen handelt es sich dabei um einen Hacker, der nur auf einen Missstand hinweisen möchte. Nach wie vor hat VTech nicht dazu Stellung genommen, wieso es die Daten überhaupt zwölf Monate auf den Firmenservern speichert. Ganz im Gegensatz zu Mattel, das ganz offen darüber informiert, dass die mit WLAN und Sprachassistenten à la Siri ausgestattete Plastikpuppe „Hallo Barbie“ nicht nur mit den Kindern spricht, sondern diese Gespräche aufnimmt und bis zu zwei Jahre speichert.

Eine Wanze mit blonden Haaren. Seit über 55 Jahren hat die Barbie einen fixen Platz im Leben eines Mädchens. Mit Barbie und Ken auf Reisen zu gehen und zu shoppen, im großen, rosaroten Traumhaus zu leben und im pinkfarbenen Cabrio der „Wohnzimmerküste“ entlang in den wohlverdienten Urlaub zu fahren ist laut Ansicht des Herstellers Mattel nicht mehr genug. Mit dem integrierten WLAN-Modul wird aber auch die einst so harmlose Puppe zur Wanze mit blonden Haaren.

Dem Sicherheitsexperten Matt Jakubowski zufolge sind die Sicherheitsvorkehrungen nicht ausreichend und können leicht gehackt werden. Gespräche können so mitgeschnitten werden, und die abgespeicherten Antworten von Barbie können sich dadurch manipulieren lassen und zu Beleidigungen und Drohungen werden.

Eltern sind daher mehr denn je in der Frage gefordert, was sie ihren Kindern unter den Christbaum legen. Und wenn man sich für die Sicherheit und gegen den Wunsch des Kindes entscheidet, muss man erklären, warum das Christkind „baba“ statt „Hallo Barbie“ gesagt hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2015)

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